Reise,Reise!

Freitag, 09.10.2015

Hallo zusammen,

es hat ein bisschen gedauert, aber nun geht's los - hier kommt unser erster Eintrag:

 

Tag 1 / Von Newark/New Jersey nach Bloomsburg/Pennsylvania

Nach einem ruhigen Flug kamen wir mittags in Newark an. Die Abfertigung bei der Immigration ging erstaunlich schnell, auch das Gepäck stand schon bereit, und so haben wir uns gleich mit dem Mietwagen auf den Weg gemacht. Die Sonne schien, es war viel wärmer als gedacht, und schon fuhren wir auf der Interstate 80 gen Westen.
Blauer Himmel, weites Land. Durchatmen. On the road again. 

(Klick auf die Fotos macht sie größer)

New Jersey Skies

Nach einer Weile machte uns ein Schild am Straßenrand auf den Dunnfield Creek aufmerksam, einen kleinen Wasserlauf, der am Appalachian Trail entlang verläuft.

Der Appalachian Trail ist ein etwa 3500 km langer Fernwanderweg, der durch 14 US-Bundesstraßen von Georgia im Süden bis nach Maine im Norden führt. Wir hätten uns das gern näher angeschaut, aber an Umkehren war nicht zu denken. Also ging es weiter unter blauem Himmel durch ehemaliges Indianer-Land, woran vor allem die indianischen Namen erinnern, wie z. B. der Susquehanna River, der nach den Susquehannock, einem Stamm der Irokesen, benannt ist.

Foto Foto "Asylum Township" by Nicholas - originally posted to Flickr as Meander. Licensed under CC BY 2.0 via Commons -

Hier gibt es Bären und Elche. Die sahen wir aber (was mich betrifft: zum Glück!) nicht, statt dessen fanden wir in Bloomsburg ein Motel und fielen um 19 Uhr Ortszeit (deutsche Zeit 2 Uhr nachts) knallmüde ins Bett.

Ohrwurm des Tages (der erste Song, den wir auf amerikanischem Boden hörten:)
James Blunt / Heart to Heart

 

Tag 2 / Von Bloomsburg/Pennsylvania nach Maumee-Toledo in Ohio

Heute geht es auf der Interstate 80 quer über und durch die Appalachian Mountains von Pennsylvania nach Ohio. Pennsylvania trägt übrigens den Beinamen „Keystone State“, so nennt man den zentralen keilförmigen Stein in der Mitte eines Tor- oder Fensterbogens. Er soll die zentrale Lage zwischen den dreizehn Kolonien, die die Vereinigten Staaten ursprünglich bildeten, darstellen.
Die Appalachen zählen zu den ältesten Gebirgen der Welt. Sie reichen von Quebec in Kanada bis zum US-Bundesstaat Alabama. Ihren Namen haben sie vom Indianerstamm der Apalachees. Auf unserer Fahrt sehen wir Wälder, so weit das Auge reicht. Die Herbstsonne lässt das Laub in allen Farben leuchten. 

Oh,it's a "Byrd"!       Ein Byrd!

Oh,it's a Werner!     It's a Werner

Der "Werner" begegnete uns bisher auf allen USA-Reisen, siehe auch HIER

Eine Ortschaft namens "Schneeschuh" Snow Shoe

 

Es geht immer höher hinauf, und schließlich verlassen wir den Bundesstaat Pennsylvania und sind nun in Ohio. Ein bisschen Geschichte am Rande:
Ohios Beiname ist „Geburtsort der Luftfahrt“, da die Brüder Wright aus Ohio kamen. Ohio gehört zum Mittleren Westen der Vereinigten Staaten. Als Teil der Great Lakes Region war der Staat lange Zeit kulturelles und geografisches Zentrum in Nordamerika. Als die Europäer ankamen, lebten dort Shawnee, Irokesen, Miamis, und Wyandots. Anfang des 18. Jahrhunderts kamen Siedler aus den Gebieten von Neu England, den Mittelatlantik-Staaten, den Appalachen und dem so genannten "Upper South", also dem nördlichen Teil der Amerikanischen Südstaaten.

Zunächst fahren wir noch auf bergigen Höhen, dann geht es bergab, und wir lassen die Appalachen hinter uns. Flaches Farmland löst die bewaldete Berglandschaft ab. „Hier sieht es aus wie in Niedersachsen“, sagt Werner. Wir sehen Maisfelder ohne Ende, denn nun befinden wir uns mitten im sogenannten Amerikanischen Maisgürtel.

Ohio Farmland

In Maumee, einem Vorort von Toledo, suchen wir uns ein Motel.

Maumee_Toledo Dussel Drive und Schilderwald

Maumee-Toledo "Dussel Drive" und Schilderwald


Morgen wollen wir in Chicago sein. Dort verbringen wir dann zwei, drei Tage, bevor es auf die Route 66 geht.

Ohrwurm des Tages: „Ohio“ vom unverwüstlichen Neil Young

 

Tag 3 / Von Maumee-Toledo/Ohio durch Ohio und Indiana nach Chicago/Illinois

Im Motel hat man offensichtlich nicht viel Zutrauen in die Gäste, oder wie soll man die lange Liste von „Strafgeldern“ im Falle von Beschädigung oder Diebstahl von Hoteleigentum deuten, die in jedem Zimmer ausliegt?

Vom Handtuch für 15 Dollar über den Kühlschrank für 125 Dollar geht es bis zur Matratze für 800 Dollar und zum Mobiliar „abhängig vom Schaden“. Wie, um Himmels Willen, soll man denn mit einem Kühlschrank im Gepäck eine Etage mit engen Stufen (ohne Fahrstuhl) überwinden? Mit einer Riesen-Boxspringbettmatratze würde man glatt steckenbleiben. Und überhaupt: liest der böse Bube, der solcherlei Absichten im Schilde führt, vorher die Info-Mappen für die Gäste durch?

Heute jedenfalls ist der berühmt-berüchtigte dritte Urlaubstag, von dem behauptet wird, er sei der kritischste eines jeden Urlaubs. Kann nicht sein, wir jedenfalls haben unseren Knatsch gestern Abend in zwei Stunden abgewickelt. Alles Übungssache ;- ) …
Heute wieder Sonnenschein. Auf unserer Hotelrechnung steht neben unserem Namen als Adresse: „Aus Frankreich“. Na dann: Voyage, Voyage! Auf geht’s weiter gen Westen nach Chicago. Zwei Franzosen fahren durch Niedersachsen. Kleine Gehöfte, Ställe, Felder. Was bei uns die Knicks sind, sind hier dichte Baumgruppen. Nach einer knappen Stunde erreichen wir den Bundesstaat Indiana.

Unsere kleine Farm

Die Interstate 90 ist eine Mautstraße (Toll Road):

Toll Road Toll Station

Überall fallen uns große Plastiktonnen auf, die an Brückenpfeilern gruppiert sind oder die an manchen Stellen als Leitplanken fungieren. Sie sind mit Wasser gefüllt und dienen dazu, den Aufprall zu mildern, falls jemand da 'reinbrettert:

Das Hotelzimmer in Chicago haben wir vorgebucht. Da wir früh dran sind - der Jetlag treibt uns, ganz entgegen unserer Gewohnheit, schon frühmorgens aus dem Bett-, machen wir noch einen Abstecher an den Lake Michigan, das ist der See, an dem Chicago liegt. Seine Größe ist beeindruckend, er sieht eher nach Meer als nach See aus. Das Wetter ist so schön, dasss wir Jeans und Turnschuhe kurzerhand mit Shorts und Sandalen tauschen .

Ich stehe mit den Füßen im Wasser und fühle mich wie an der Ostsee. Hinter mir der Sandstrand, vor mir Wasser bis zum Horizont, Wellen, die gemächlich ans Ufer rollen. Nur Muscheln fehlen, und es ist kein Salz- sondern Süßwasser. Bemerkenswert sind auch die Sanddünen, die   „Sleeping Bear Dunes“

(Schlafender Bär-Dünen), die sich kilometerlang an den Ufern des Sees erstrecken. Hier ein paar Fotos vom Strand:

Und ein wunderschöner Oldtimer lässt sich auch die Sonne aufs alte Blechdach scheinen (allein das zarte Vanillegelb sieht doch umwerfend aus, oder?):

Schließlich machen wir uns auf den Weg von der Idylle in den Großstadtverkehr.

Bahnstation Electricity

Und dann sind wir in Chicago.

Nach dem Einchecken gehen wir direkt ins Hard Rock Café gegenüber von unserem Hotel und bestellen Steak (Werner) und Hühnchen (ich). An der Wand hängen, wie in jedem Hard Rock Café, Erinnerungsstücke von Pop- und Rockstars, die Atmosphäre ist gut, die Musik gerade richtig laut. Gespielt wird Altes und Neues querbeet. Über der Bar thront ein Schlagzeug.
Leider etwas verwackelt:

HRC Chicago HRC Chicago

Draußen ist es richtig warm. Wir bummeln durch die Stadt, bis wir zum See gelangen.

Leider geht es mir nicht so gut, sodass wir zurück zum Hotel müssen. Nach einer ausgedehnten Siesta entdecken wir dann - verrückterweise im Internet-, dass unser Hotel ein Schwimmbad und eine Dachterrasse hat. Da wollen wir doch gleich nochmal einen Blick riskieren:

Das nächste Foto ist zwar verwackelt, aber der Weihnachtsbaum war die Aufnahme wert:

Song des Tages (im Autoradio gehört) „Lay down, Sally“ von Eric Clapton (hier in einer Live-Version zusammen mit Mark Knopfler)

 

So, Ihr Lieben, das war's für heute. Wir wünschen euch ein schönes Wochenende!

Es grüßen

Werner und Helga

Chicago, Chicago!

Mittwoch, 14.10.2015

Chicago ist toll! Und die Stadt trägt zu Recht den Beinamen „Windy City“. Als wir morgens losgehen, weht trotz Sonne und blauen Himmels ein so kühler Wind durch die Straßen, dass wir noch einmal umkehren und unsere Jacken holen. Ich stecke schnell noch meine neueste Errungenschaft ein (denkt euch an dieser Stelle ein verlegenes Räuspern): einen Schrittzähler, der mich faule Nuss zu mehr Bewegung motivieren soll. Bisher habe ich ihn meistens „vergessen“, allein schon, weil er, wenn ich ihn mal dabei hatte, nur kläglich wenig Schritte anzeigte. Ich dachte schon, er wäre kaputt. In Hamburg erreichte ich damit nur einmal fast die Zehntausendermarke: Als ich eigentlich nur zum Arzt wollte und noch eine „kleine“ Shoppingtour dranhängte. Naja. Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, das windige Chicago. Die Bezeichnung leitet sich nicht nur vom Wind ab, der oft kalt durch die Häuserschluchten weht, sondern hat auch mit den „windigen“ Schmuggeleien und kriminellen Geschäften während der Prohibition zu tun.
Chicago ist nicht nur windig, sondern auch hell und weit, trotz der vielen Wolkenkratzer. Die Stadt präsentiert sich uns mit einer gelungenen Mischung aus alten und neuen Gebäuden. Viele junge Leute, Einheimische und Touristen bevölkern die Straßen der Innenstadt, Dutzende Straßencafés laden zum Verweilen ein, und überall sieht man Bäume und kleine grüne, bepflanzte „Inseln“. Hier ist der Blumenschmuck herbstlich schon für Erntedank dekoriert: 

(Ein Klick auf die Fotos macht sie größer)

Und es gibt viel Wasser, denn Chicago liegt, wie schon gesagt, direkt am Lake Michican. Doch damit nicht genug, durch die Stadt fließt der Chicago River mit Kanälen und Nebenarmen. Ein ganz klein wenig Hamburg in Amerika.

Beeindruckende Skyline am Chicago River

 

Links und rechts kann man direkt am Fluß entlang spazieren, bei Tag …


… und bei Nacht

An diversen Stationen kann man Fahrräder per Selbstbedienung ausleihen, sodass, wer sich durch den Verkehr traut, die Stadt per Drahtesel erobern kann.
Zu Fuß kommt man jedoch auch sehr gut durch die Innenstadt. Mein Schrittzähler jedenfalls jubelte, was sich in Form eines begeistert hampelnden Männleins neben der Zahl auf dem Display zeigt. Den kannte ich noch gar nicht, aber ich freue mich, seine Bekanntschaft zu machen. Meinen Füßen hingegen ist das egal, sie jammern vor sich hin und ergeben sich in ihr Schicksal. Aber die Tour lohnt sich. Noch ein paar Impressionen :

Ein handtuchschmaler (christlicher) Buchladen mit Wohnungen darüber behauptet sich zwischen den Hochhäusern:

Schaufenster eines Süßwarenladens:

                                     

Tod durch Schokolade /  Ein süßes Leben gelebt          /  Wollte Süßes nicht teilen / Schied geschmackvoll dahin

Chicago House of Blues „Where Music feeds the Soul“
Es gibt Konzerte, man kann essen, feiern, und sonntags wird ein Gospel Brunch veranstaltet.

Der Millenium Park ist eine kleine Oase mitten in der Stadt. Hier findet man Grünflächen, Bänke und eine Open-Air-Bühne.

Die größte Attraktion jedoch ist „The Cloud Gate“

- eine hochglanzpolierte Stahlskulptur ohne sichtbare Schweißnähte, die aufgrund ihrer Form auch „die Bohne“ genannt wird. Die Anziehungskraft dieses riesigen Kunstwerkes ist groß, denn man kann sich darin wie in einem Zerrspiegel sehen. Alle rennen hin und machen Selfiesa. Wir auch:

In Chicago stand übrigens das erste moderne Hochhaus der Welt. Es wurde 1885 erbaut, umfasste zehn Etagen und war 42 Meter hoch. Es wurde 1931 abgerissen. Überhaupt ist die Stadt ein Juwel für Architektur-Fans. Deshalb bummeln wir am nächsten Tag zur Warenterminbörse, der größten der USA, denn in unmittelbarer Nähe liegt das vielleicht schönste Gebäude von Chicago, die Rookery.

- ein architektonisches Juwel. Nicht die Höhe macht das Gebäude interessant – es sind nur zwölf Stockwerke – es ist vielmehr die architektonische und ästhetische Raffinesse, die den aus roten Granitblöcken errichteten Bau so besonders macht. Das eigentliche Schmuckstück ist der imposante Lichthof von Frank Lloyd Wright, gestaltet mit viel Liebe zum Detail. Eine filigrane schmiedeeiserne Konstruktion trägt das Glasdach und verleiht dem Raum die Atmosphäre eines orientalischen Herrscherzeltes. Der Innenraum ist von goldverziertem Marmor eingefasst.

    

Das Gebäude entstand in den Jahren 1887-1888 und gilt als eines der Meisterwerke der damaligen Architektur und als einer der frühesten Vorläufer des modernen Wolkenkratzers. Der Innenraum ist von goldverziertem Marmor eingefasst.


Kur danach entdecken wir etliche Freizeitkapitäne, die das herrliche Herbstwetter für eine kleine Ausfahrt nutzen. Wir entdecken sogar ein Segelboot mit großem Grill im Cockpit. Die Amis und ihr Barbecue! Doch zunächst heißt es für alle warten, bis die Brücken öffnen:

Schließlich ist es soweit, und es sieht ein bisschen so aus, als würden die Masten die Brücke stemmen :)

  

Wie schon in unseren Floridays erwähnt, ist Werner immer neugierig darauf zu sehen, wie eine schöne Fassade wohl von innen aussieht. Also marschieren wir schnurstracks in dies imposante Gebäude:

Es stellt sich heraus, dass wir uns in der Harold Washington Library befinden, der größten der Öffentlichkeit zugänglichen Bibliothek der Welt. Mit mehr als zwei Millionen Bänden besitzt sie die größte Sammlung weltweit. Besonders bemerkenswert: Es gibt eine riesige Abteilung mit Kinderliteratur und Leseecken sowie zahlreiche wechselnde Kunstausstellungen und Lesungen.
In der Halle sitzen wir gemütlich 'rum, betrachten die Wandornamente, die Inschriften und die eindrucksvolle Kuppel.

Schließlich machen wir uns auf den Rückweg zum Hotel. Das Schrittzähler-Männchen kriegt sich am Ende des Tages gar nicht mehr ein vor Begeisterung, ich hingegen bin einfach nur platt.
Es reicht dann aber doch noch für einen kurzen Besuch im Schwimmbad, um die müden Knochen zu entspannen und einen Blick von der Dachterasse auf das Hardrock-Café zu werfen.

   

Dies war das Vorspiel. Am nächsten Tag geht die Reise erst richtig los - auf der Hauptstraße Amerikas, der Straße der Sehnsucht, der "Mother road", wie John Steinbeck sie nannte, der Route 66

Der Ohrwurm für Chicago ist... nein, nicht „Chicago“ von Frank Sinatra, sondern „Go your own way“ von Fleetwood Mac

Es grüßen Euch nach N S W E - rain or shine -

Werner und Helga

 

 

 

 

(Get Your Kicks) On Route 66

Freitag, 16.10.2015

„If you ever plan to motor West
Travel my way / Take the highway / That's the best
Get your kicks on Route 66
It winds from Chicago to L.A.
More than 2000 miles all the way
Get your kicks on Route 66“

(Die Musik zum Text: https://www.youtube.com/watch?v=wxhLVMhsbAE )

Als der Komponist Robert William Troup Jr. 1946 während einer langen Fahrt auf dem Highway No. 66 die Idee zu diesem Song hatte, war – genau wie heute - aller Anfang in Chicago, und zwar bei diesem Schild

(Klick aufs Foto vergrößert)

Hier beginnt die Route 66.

 

Dies ist der Verlauf der Route 66. Zum Vergleich: Der US-Bundesstaat Montana (oben eingekreist) ist ungefähr so groß wie Deutschland. Amerika hat übrigens in etwa dieselbe Fläche wie Europa, allerdings leben in Europa dreimal so viele Menschen auf einem Quadratkilometer. Und in Deutschland drängeln sich sogar fast neunmal so viele wie in Amerika. Die USA sind in vielerlei Hinsicht ein weites Land.

Für uns beginnt der Trip nach Westen zunächst gen Norden, denn über Nacht hat sich überraschenderweise die Straße vor unserem Hotel in eine Marathonstrecke mit Absperrungen, Dixie-Klos, heißer Musik und anfeuerndem Publikum verwandelt.

Macht nix, dann fahren wir eben einen Umweg, der uns noch ein letztes Mal am Lake Michican entlang führt.

Und auch die Marathonläufer begegnen uns noch einmal.

Schließlich biegen wir auf die Route 66 ein. Es geht los. Mehr als 2000 Meilen ursprüngliches Amerika warten auf uns. Zunächst fahren wir durch Gewerbegebiete, wie man sie in den Vorstädten überall auf der Welt findet. Es geht an der Eisenbahnlinie entlang, die uns von jetzt an durchweg begleiten wird. Dann wird es ländlich. Da Sonntag ist, sieht man hier und da Schilder, die auf Garagen- und Hofverkäufe aufmerksam machen. Auch ein Flohmarkt wird abgehalten, der gut besucht ist (viel sieht man leider nicht, das Foto wurde aus dem Auto gemacht)

  Die erste kleine Ortschaft heißt ganz romantisch „Romeoville“, dann folgt - oh Wunder - Joliet, ein hübsches kleines Städtchen, dessen Gefängnis durch die „Blues Brothers“
im gleichnamigen Film Berühmtheit erlangte. Der Film beginnt damit, dass „Joliet“ Jake Blues, gespielt von John Belushi, aus dem Staatsgefängnis von Joliet entlassen wird.

In Wilmington begrüßt uns eine überlebensgroße Raumfahrerfigur am Straßenrand

in Gardner bestaunen wir das 2-Personen-Gefängnis, das im Jahr 1907 erbaut wurde. Sieht von außen ganz heimelig aus – und innen gibt es sogar einen Heizofen.

Ein Witzbold schrieb ins Gästebuch: „Dies sollte ein Bed & Breakfast sein.“

Die Fahrt führt durch Farm- und Grasland. Viele Häuser sind schon für Halloween geschmückt.

Wir fahren und fahren und landen plötzlich im Nirgendwo – die Straße ist gesperrt, eine Umleitung nicht ausgeschildert

Erst versuchen wir es auf eigene Faust  

Doch dann ist auch hier Schluss             

Wir kehren um und stellen fest, dass wir zuvor ein Hinweisschild übersehen haben. Und weiter geht es...

Auf einer winzigen Straße fahren wir in einen Ort namens Odell hinein.
Am Ortseingang stehen alle paar Meter Schilder mit der Aufschrift:

A small town
With a big heart
Where everybody
Is somebody

In einem Diner stärken wir uns.
Man kann à la carte essen oder sich am Büfett selbst bedienen. Zur Wahl stehen unter anderem Gulasch, saftiger Schweinebraten, gut gewürzte Spareribs, oder marinierte Hühnerkeulen.

An den Wänden im Flur des Gasthauses hängen Fotos von berühmten Persönlichkeiten, die auf die eine oder andere Weise mit der Route 66 zu tun hatten. Riesengroß ein Plakat als Hommage an Willie G. Davidson, den Enkel des Firmengründers.Sein Ausspruch: „Am achten Tag schuf Gott die Harley” beschreibt treffend das Lebensgefühl der Biker, die hier auf ihren Harleys unterwegs waren und sind.

  

Es wird ein langer, erlebnisreicher Tag, hier noch ein paar weitere Eindrücke:

Eine Kutsche mit Abraham Lincoln   

Ein UFO ist gelandet. Ob drinnen wohl grüne Marsmännchen sitzen?

Am Ende sehen wir sogar einen rosa Elefanten.

Wird wohl Zeit, dass wir Feierabend machen.

Es wird schon langsam dunkel, als wir in St.Louis ankommen. Davon morgen mehr.

Bis dahin Love & Peace & Streuselkuchen


Eure Routiniers ;-)

 

St. Louis Blues

Freitag, 16.10.2015

Während der Fahrt stoßen wir immer mal wieder auf verlassene Tankstellen, auf Häuser und Firmengebäude, die ausgedient haben, und auf alte, leerstehende Motels. Das alles verfällt. Der Rost frisst daran, die Farbe blättert ab, das Holz verrottet. Man verlässt einfach den Ort und gründet anderswo etwas Neues. Das Land ist groß, das Land ist weit, und Platz gibt es genug. 

In der Dämmerung kommen wir in St. Louis im US-Bundesstaat Missouri am Ufer des Mississippi an. In einem Vorort sehe ich in einiger Entfernung ganz allein ein Brautpaar auf der Treppe eines imposanten Gebäudes stehen. Das Teleobjektiv der Kamera kam beim Versuch, die beiden zu fotografieren, an seine Grenzen. Trotzdem schön:

                  

Die Stadt begrüßt uns mit ihrem Wahrzeichen, dem „Gateway Arch“, einem 192 Meter hohen Torbogen, der Saint Louis als Startpunkt für den Weg in den Westen symbolisiert.

       

Viele Siedler statteten sich hier für ihre Tracks in den weiten, unbekannten Westen aus. Doch diese Geschichte scheint auch schon alles zu sein, was dieser Ort zu bieten hat. Es dominieren die Brücken der Freeways, die die Stadt durchschneiden und wenig einladend wirken. Alles macht einen engen, düsteren, teilweise heruntergewirtschafteten Eindruck. Wir sehen überwiegend karge Gebäude und Straßen. An den schönen Uferbereich kommt man nicht heran. Es gibt keinen Zugang, und es wird zudem großflächig gebaut. Schade, denn eigentlich wollten wir hier einen Tag verbringen. Statt dessen fahren wir weiter und übernachten in dem kleinen Ort Kirkwood, der außer dem „Prachtboulevard“, wie Werner stets die Straßen nennt, die, von Hotels, Motels, Tankstellen und Restaurants aller Art gesäumt, meist mitten durch den Ort führen.

Traumhaft, wenn man einen solchen "Prachtboulevard" in der Dämmerung entlanggleitet, und im Autoradio spielen sie "Don't stop believing" von Journey

Und damit grüßen wir nach überall

Werner und Helga

P. S. St. Louis war letzten Sonntag. Inzwischen ist schon wieder Freitag, deshalb kommen die Berichte der nächsten Tage jetzt in schnellerer Folge. 

 

 

Small Town America

Freitag, 16.10.2015

Now you go down through Saint Looey /
Joplin, Missouri /
And Oklahoma City / Is oh so mighty pretty

(Get Your Kicks) On Route 66


Morgens steht vor unserem Hotel mal wieder ein Oldtimer. 

   

Kaum sind wir auf der Straße, da grüßt schon wieder -wie beinahe täglich- ein Werner

Die Route 66 führt stellenweise ganz nahe an der Interstate entlang, praktisch trennt dann nur ein begrünter Mittelstreifen die beiden Straßen. Mal verläuft die Route links, mal rechts der Autobahn.

Wir sind dazu übergegangen, Strecken, die quasi nebeneinander verlaufen und bei denen uns auf der Route keine besonderen Ortschaften und Sehenswürdigkeiten erwarten, auf der Interstate zurückzulegen.

Es geht mal durch bewaldete Hügellandschaften, dann wieder durch kleine Orte. Wir kommen am Silicat Mountain vorbei, der aus Kieselerde besteht, das zur Herstellung von Glas verwendet wird.

Merkwürdigerweise tragen hier die Gemeindestraßen hier statt Namen oder Nummern Doppelbuchstaben. Wir sehen viele Schilder, fast das ganze Alphabet ist vertreten.

     

Mittlerweile befinden wir uns in den „Ozarks“, einem riesigen Hochplateau, der größten Bergregion zwischen den Appalachen und den Rocky Mountains. Überall sieht man Reklametafeln, die für einen Besuch der Meramec-Höhlen werben, Tropfsteinhöhlen, in denen sich angeblich der Bankräuber und Pistolenheld Jesse James zeitweilig versteckt haben soll. Werners Kommentar: „Muss ich nicht besichtigen. Haben wir in Bad Segeberg ja auch.“

Eine alte Eisenbrücke von 1923, die über den Big Piney River führt, verfehlen wir leider. Aber halb so schlimm, es gibt genug zu sehen.

Hier sind wir mitten im Kleinstadt-Amerika. Dazu der Song mit passendem Video

Wäre die Route 66 nicht, kein Mensch käme auf die Idee, durch diese Gegend zu reisen. Der Ort Cuba ist bekannt für seine Wandmalereien. Auch die nähere und weitere Umgebung gefällt uns gut.

                             

Ein schöner Streckenabschnitt, den wir bei fantastischem Wetter erleben. Normalerweise gehen die Temperaturen um diese Jahreszeit nicht über 20 Grad hinaus. Wir haben jedoch seit dem ersten Tag 25 Grad und Sonnenschein von früh bis spät. Glückskinder. Apropos Kinder – die ganz Kleinen gehen hier in die „Vorschule“, und die Größeren werden vor und nach der Schule betreut. Es gibt, wie an fast allen Schulen und Universitäten, auch Sommerprogramme für die Zeit der Schulferien

Wir kommen auch am berühmten Munger Moss Motel im Ort Lebanon vorbei

   

Hier sieht man auch endlich mal deutlich und groß das Route 66-Zeichen auf dem Asphalt. Grund genug, mich für ein Foto unter Lebensgefahr in den tosenden Verkehr zu werfen.

In Springfield, Missouri, steht die Abou Ben Adhem Shrine Moschee. Sie wurde bereits 1923 gebaut.

Hier noch ein paar Ansichten

 

 

Waffen und Juwelen- Honi soit qui mal y pense.

Wir landen in Joplin, Misouri. Da kommt uns natürlich unweigerlich Janis Joplin in den Sinn.
Und weil ich es nicht lassen kann, hier für Janis J.-Fans das tolle „Piece of my heart“

in einem Live-Auftritt in Deutschland, 1968. Sehenswert. Hörenswert natürlich auch.


Der Tag klingt in einem Longhorn-Restaurant aus.

    

Es gehört zu einer Steakhouse-Kette, deren Räume ganz im Western-Stil dekoriert sind. Sie bieten tolle Steaks zu vernünftigen Preisen. Und mmmhhh... der sahnig-buttrige Kartoffelbrei ist der beste ever.
Apropos nochmal Janis Joplin - da fällt mir ein: Wir befinden uns inzwischen im Bereich der Tornado Alley, des Tornado-Gürtels der USA :)

Bye for now. Der nächste Eintrag folgt bestimmt :)

Viele Grüße in alle Dörfer, Klein- Mittel- und Großstädte

Werner und Helga

 

Im Land der Cowboys und Indianer

Samstag, 17.10.2015

Howdy, Girls and Boys!

Vorab ein Wort in eigener Sache: Die Plattform, auf der wir diesen Blog schreiben, schickt nur einmal am Tag eine automatisierte Nachricht über einen neuen Eintrag an Euch. Manchmal schreibe ich aber zwei oder mehr auf einmal. Deshalb die Bitte, bei jeder Benachrichtigung nochmal zu gucken, ob eventuell noch ein weiterer neuer Eintrag vorhanden ist.

Kurz hinter Joplin endet der Bundesstaat Missouri, und eine nur 13 Meilen kurze, aber umso interessantere Strecke führt durch den südlichöstlichen Zipfel von Kansas. Der Name "Kansas" leitet sich ab von dem Wort 'Kansa'. In der Sprache der Sioux bedeutet es „Volk des Südwinds“. Kansas trägt den Beinamen „The Sunflower State“ (Sonnenblumen-Staat).
Man sagt, dass Kansas stolz darauf ist, ein Teil der Route 66 zu sein. Die wenigen Orte wirken nicht so lieb- oder leblos wie manch anderes Dorf, das wir durchfahren haben. Es sind vielmehr lebhafte kleine Ortschaften, in denen man den Eindruck hat, dass die Bewohner ihr Fleckchen Erde schätzen, hegen und gestalten.

Zunächst kommen wir durch Galena. Auf der Mainstreet schallt Coutrymusik aus verdeckt angebrachten Boxen. Es gibt einen kleinen Park, einige Büros und Läden.

Die weiße "Marsh Rainbow Bridge over Bush Creek" aus dem Jahr 1923 ist die letzte ihrer Art. In Kansas gab es einst drei dieser wunderschönen Bogenbrücken aus Beton an der Route 66.

Baxter Springs war zu Zeiten des Wilden Westens die am meisten überfallene Stadt Amerikas, denn von hier aus sind es nur wenige Meilen zu den Staatsgrenzen von Missouri und Oklahoma, in denen andere Sheriffs und Gesetze herrschten. Gangster und Revolverhelden wie Jesse James, die Dalton Brüder und Bonnie &Clyde sollen hier ihr Unwesen getrieben haben.

                                   

Nach 22 Kilometern winken wir Kansas ein freundliches „Goodbye“ und befinden uns nun in Oklahoma.        

Das Wort „Oklahoma“ stammt aus der Choctaw-Sprache. „Okla“ bedeutet „Mensch“ und „homa“ leitet sich von „humma“, dem Choctaw-Wort für „rot“ ab. Oklahoma bedeutet übersetzt also in etwa „Das Land des roten Mannes“. Der Staat hat mehrere Beinamen. Auf den Kfz-Kennzeichen steht „Native America“, also ursprüngliches Amerika, aber es heißt auch nach der Übersetzung „The Land of the Red Man“, also Land des roten Mannes.Viele Ortsnamen zeugen heute noch von indianischem Ursprung.
Übrigens ist der Titelsong aus dem Musical „Oklahoma!“, das 1943 erstmals aufgeführt wurde, seit 1953 die offizielle Nationalhymne des Bundesstaates Oklahoma.


Wir sind zweifellos im Land der Cowboys. Auf den weiten Feldern sehen wir Rinder und manchmal auch Pferde, die Männer tragen tatsächlich hier und da Cowboy-Hüte und karierte Hemden. In Miami halten wir an. Der Name Miami bezieht sich auf einen gleichnamigen Indianer-Stamm, der hier seinen Hauptsitz hat.

Gleich an der Hauptstraße entdecken wir das Coleman Theatre ,

das wir aus TV-Berichten kennen (arte, Route-66-Dokumentation, wird immer mal wieder wiederholt) und unbedingt näher kennenlernen möchten.

Der Eintritt ist frei. Eine Frau gesellt sich zu uns und führt uns durch das ganze Haus. Wir kommen ins Plaudern, und sie erzählt, dass ihr Mann in jungen Jahren in Frankfurt/Main stationiert war. „Er hat die ganze Zeit dort nur Musik gemacht“, lacht sie, und wir sind uns einig, dass das nicht die schlechteste Art ist, den Wehrdienst zu verbringen. Schnell stellt sich heraus, dass wir noch mehr Gemeinsamkeiten haben. Sie singt auch im Chor, ist nur einen Tag nach mir geboren, und sie ist genauso lange verheiratet wie wir.

Sie erzählt uns die Geschichte des Revue-Theaters, das 1929 gebaut und 1989 restauriert wurde. Wir sehen den wunderschönen Saal, und sie nimmt uns mit auf die Bühne. Die Akustik ist super. Ich stelle mir meinen Chor hier vor und würde am liebsten sofort alle einfliegen lassen für ein Benefiz-Konzert in diesem tollen Theater, das sich komplett aus Spenden und Freundeskreis finanziert. Große Künstler sind hier schon aufgetreten, das passt doch wunderbar! ;-)

Seit 1996 besitzt das Theater eine original "Mighty Wurlitzer", eine Pfeifenorgel. Wir werden auf die samtbezogenen Sitze gebeten und zu einer musikalischen Kostprobe eingeladen.  Und nicht nur das, sie nimmt uns mit hinter die Kulissen, zeigt uns, welche Strippen für die verschiedenen Vorhänge und Aktionen gezogen werden, und wir dürfen auch einen Blick in die Aufenthaltsräume der Künstler und ihre Garderoben werfen.

Wir erfahren, mit wie viel privatem Engagement die Erhaltung des Gebäudes möglich gemacht wurde und noch wird, und auf welch abenteuerlichen Wegen manche Einrichtungsgegenstände entdeckt und der Transport organisiert wurde. Ob im Ort ansässige Firmen oder Privatleute, viele sind beteiligt am Gelingen.

Als wir uns verabschieden, sind fast eineinhalb Stunden vergangen.

Wir fühlen uns wie nach einer Reise in eine andere Welt, eine vergangene Zeit, die noch lange nachwirken wird.

Draußen, wer hätte es gedacht, ist immer noch das kleinstädtisch-ländliche Amerika.

Back on the route verfransen wir uns erstmal ganz irdisch und landen auf einem Schotterweg.

Und kein Tag ohne den hier :)

Schließlich erreichen wir Oklahoma City.
Die Stadt erscheint uns weitläufig, sehr grün und gepflegt, ein richtiges „Gesicht“ ist aber nicht zu erkennen. Wir besuchen einen riesigen Western-Store, der Massen von Western-Stiefeln anbietet, finden zu 90 Prozent China-Ware vor und sind schnell wieder draußen...
Vom Besuch des Western-Museums, der wider Erwarten ganz spannend war, morgen mehr.

Ein Schild an der Straße:
„Ein Dieb, der einen Kalender stahl, bekam zwölf Monate.“

 Der Song des Tages (im Autoradio gehört) „Pretty Woman“ als rockige van Halen – Version


See you!

Werner und Helga

 

Western Museums in Oklahoma City

Sonntag, 18.10.2015

Moin, Ihr Lieben!

Der Besuch des Western Museums in Oklahoma City ist eine Verlegenheitslösung, weil die Stadt an sich zwar schön anzusehen ist,

Park Kapitol

jedoch keine besonderen Orte aufweist, an denen wir uns sinnvollerweise einen Nachmittag lang aufhalten möchten.

Zunächst wollen wir eigentlich nur einen Blick in die Eingangshalle werfen, weil dort eine eindrucksvolle Statue namens „End of the Trail“ (Am Ende des Weges) steht.

End of the Trail

Doch einer der Guides, die für Fragen der Besucher und Informationen bereit stehen, schnackt Werner an, und auch hier entspinnt sich eine kleine Unterhaltung.

Der Guide, ein unscheinbarer kleiner, dünner Mann um die 70 in Jeans, schneeweißem Hemd, schwarzer Lederweste, „Schnürsenkel-Krawatte“ und Cowboyhut, fragt nach dem Woher und Wohin. Deutschland. Ah ja – schwupps zückt er sein Handy und zeigt das Porträtfoto einer hübschen, noch recht jugendlich wirkenden Frau. „Meine Frau, sieht sie nicht jung aus?“ Sie heißt Hannelore, ist eine Deutsche, die jung in die USA kam und als Deutschlehrerin arbeitete. Die beiden lernten sich als junge Leute kennen, verloren sich wieder aus den Augen. Sie war 41 Jahre verheiratet, er 39. Die jeweiligen Ehepartner starben, und Hannelore und unser Cowboy-Guide begegneten sich wieder. Seit vier Jahren sind sie verheiratet. Stoff für eine Love-Story!


Das Museum zeigt eine große Zahl von Gemälden, die sich mit dem Leben der Cowboys und Indianer beschäftigen. Etliche Bilder kann man käuflich erwerben.

Werner fällt auf, dass die Cowboys auf den Gemälden durchweg mit weißer Hautfarbe dargestellt sind, obwohl im wirklichen Leben Schwarze und Weiße durchaus friedlich Seite an Seite ihrer Arbeit nachgegangen sind.

Ich kenne mich mit Cowboys und Indianern weniger aus, aber diesen Keith Richards unter den Indianerhäuptlingen würde ich am liebsten direkt von der Wand klauen:

Sättel, Arbeitsgerät, Bekleidung, Wandschmuck, Lassos, Sporen – alles, was zum Leben von Cowboys und Indianern gehörte, ist ausgestellt. Die Handwerkskunst, mit der diese Gegenstände hergestellt wurden, ist beeindruckend.

Ein besonders kunstvoll gestalteter Damen-Sattel:

Das Museum zeigt auch die Geschichte der Western-Filme anhand von Filmen, Filmplakaten und Original-Kostümen. Dieser Westernheld darf da natürlich nicht fehlen: 

  Ronald Reagan

(Kurioses am Rande noch nachträglich zum Thema "Der große Treck gen Westen": Damals fuhren die Bestatter die Rettungs“wagen“. Paradoxerweise wurden sie jedoch nur bezahlt, wenn der Verunfallte nicht überlebte. Sachen gibt’s...)

Die große Zeit der Cowboys endete, als der Stacheldraht erfunden wurde. Auch dies ist ausführlich dokumentiert.

Und nun sind auch wir am Ende, zwar nicht des Trails, und auch ganz ohne Stacheldraht, aber am Ende dieses Museumsbesuchs.

Have fun everybody, bis dann

Werner und Helga

Rose of Cimarron

Montag, 19.10.2015

Rose of Cimarron

Foto von http://www.legendsofamerica.com/we-womenlist-c-d.html

Als im Westen Amerikas das Schießeisen regierte, wurde Rose Dunn im Jahr 1878 im Bundesstaat Oklahoma geboren. Ihre Familie war arm, aber sie erhielt eine Ausbildung in einem Kloster in Wichita, Kansas. Ihre beiden älteren Brüder entwickelten sich zu Kleinkriminellen, was Rose offenbar viel spannender fand als die Klosterschule, und so lernte sie von ihnen im zarten Alter von 12 Jahren das Reiten, Lassowerfen und Schießen.

Ihre Brüder waren es auch, durch die sie mit etwa 14, 15 Jahren George "Bittercreek" Newcomb kennenlernte. Sie verliebte sich in ihn, und Newcomb und die Gang, mit der er unterwegs war, verehrten sie wegen ihres gutes Aussehens und schätzten ihre ruhige, freundliche Art und Loyalität.
Rose war völlig vernarrt in Newcomb, und so begann sie, den gesuchten Straftäter zu unterstützen, indem sie ihn und die Doolin-Dalton-Gang, genannt „The Wild Bunch“, in der er mitmischte, heimlich versorgte und betreute.

Die Doolin-Dalton-Gang wurde am 1. September 1893 in Ingalls/Oklahoma, dem Geburtsort von Rose, durch eine Gruppe von US-Marshalls in die Enge getrieben. In der darauf folgenden schweren Schießerei, die als „Schlacht von Ingalls“ bekannt wurde, wurde der Legende nach Newcomb schwer verwundet.

Es hieß, Rose sei ihm mit zwei Munitionsgürteln und einer Winchester zur Hilfe gekommen und hätte ihm Feuerschutz gegeben, bis er seine Revolver nachgeladen hatte. Die Beschuldigung wurde jedoch nie bewiesen, und im offiziellen Bericht der Marschalls stand lediglich, dass Newcomb zwei Schüsse abgegeben hatte und geflohen war.

Newcomb konnte jedenfalls entkommen, und auf seinen Kopf wurde 1895 eine Prämie von 5000 Dollar ausgesetzt. Rose pflegte die entkommenen und verletzten Gangmitglieder wieder gesund.

Das traurige Ende: Noch im selben Jahr wurde George „Bittercreek“ Newcomb, als er Rose besuchen wollte, von Roses Brüdern, die inzwischen dem Leben als Banditen abgeschworen hatten und ihren Lebensunterhalt als Kopfgeldjäger verdienten, erschossen.
Rose wurde oft beschuldigt, ihn verraten zu haben, um mit ihren Brüdern das Kopfgeld zu teilen. Sie hat das stets verneint, und ihre Bruder verteidigten sie und bekräftigten, dass sie keine Ahnung von ihren Absichten hatte.
Tatsache ist, dass sie nie wegen ihrer Beziehung zu Newcomb und der Gang juristisch verfolgt wurde. Ihr kurzes Outlaw-Leben machte sie zur Legende, obwohl sie weitere sechs Jahrzehnte ihres Lebens als ehrbare Bürgerin und Ehefrau eines regional bekannten Politikers namens Charles Albert Noble verbrachte. Sie starb 1955 mit 76 Jahren in Salkum im Staat Washington.

Wie komme ich nun darauf, euch gerade diese Geschichte zu erzählen? - Es gibt zu Roses Story einen Song mit dem Titel „Rose of Cimarron“ von der Band Poco aus dem Jahr 1976, der ein One-Hit-Wonder wurde und seit Neuestem zum Repertoire des Chores gehört, in dem ich singe.
Im Songtext heißt es übersetzt in etwa: „Du wartest am Fenster und hältst Ausschau, ob sie sich zeigen werden / Du bist die, an die sie sich wenden / die einzige, von der sie wissen, dass sie ihr Bestes tun wird, wenn es hart auf hart kommt.“
Daran musste ich beim Betrachten dieses Gemäldes denken, das wir im Western Museum in Oklahoma sahen.

 

Cimarron ist übrigens eine Gemeinde im Bundesstaat Oklahoma, etwa 1,5 Autostunden von Oklahoma City entfernt.

Und hier kommt der Song in drei verschiedenen Varianten. Vielleicht sagt euch der Titel nichts, aber wenn ihr ihn hört, erkennt ihr ihn sicherlich. Jedenfalls die vor 1970 Geborenen ;-) ... Mir gefällt die Live-Version am besten.

1. Album Version von Poco

2. Live-Version von Poco

3. Version von Emmylou Harris

 

Bis später, ich schreibe nachher noch einen Eintrag.


Yours always,

Werner und Helga

This is the way to Amarillo

Montag, 19.10.2015

Moin!

We are on the road again, on Route 66 again.
Die Benzinpreise kommen uns entgegen, sie erreichen ein neues Tief von 1,99 Dollar pro Gallone, das entspricht knapp 50 Eurocent pro Liter. Die Temperaturen hingegen klettern in ungeahnte Höhen. Gestern waren es 91 Grad Fahrenheit, das sind 33 Grad Celcius. Heute soll es ähnlich heiß werden. Wir haben wirklich ein Schweineglück mit dem Wetter!

Es geht zunächst durch den kleinen Ort Yukon, dem Geburtsort von Garth Brooks, einem in Amerika sehr beliebten und berühmten Countrysänger.

Der Longhorn-Rinder Trail führte an der Strecke entlang, die wir durchfahren. Prärie und Felder, soweit das Auge blickt.  

El Reno ist ein ehemaliger Kavallerieposten. Heute gibt es dort ein Café mit dem Namen „Last Chance“ - und, Ihr ahnt es vielleicht schon: Es ist geschlossen.

Die Hauptstraße von Sayre war einer der Drehorte von John Steinbecks „Früchte des Zorns“. Das Beckham County Courthouse war im Film kurz zu sehen und fungierte als Capitol von Oklahoma City.

Dass wir hier im sogenannten Bible-Belt, dem Bibel-Gürtel der USA sind, sieht man neben den vielen Kirchen gelegentlich an Kreuzen an Häusern oder Inschriften wie dieser in einem Schaufenster:
(Wie schön sind die Füße jener, die gute Neuigkeiten bringen - na, ich weiß ja nicht so recht...).

 Pause im Kaffeehaus „The Brick"

Wir fahren weiter, und das Route 66-Gefühl stellt sich wieder ein, als wir aussteigen, um dieses alte Teilstück der originalen Route 66 zu sehen. Um uns herum ist es still, die Zeit scheint stehen geblieben. 

                     

Die „neue“ alte Route:    

Bei Texola endet die lange Fahrt durch Oklahoma. Wir sind in Texas. Der Name der Ortschaft mutierte von ursprünglich "Texokla" über "Texoma" zum heutigen "Texola".

       
Texas trägt den Beinamen „Lone Star State“ (Einsamer-Stern-Staat). Hintergrund dieser Bezeichnung: Texas ist neben Vermont der einzige US-Staat, der vor seiner Zugehörigkeit zu den USA eine unabhängige Republik war. Man sagt den Texanern und Bayern Gemeinsamkeiten nach. Sie machen ihr eigenes Ding und können ungemütlich werden, wenn ihr Terrain angetastet wird. Was wohl von solchen Verallgemeinerungen zu halten ist? Immerhin: Nicht umsonst lautet ein bekannter Spruch „Don't mess with Texas“ - Leg dich nicht mit Texas an.

   Nicht nur einsame Sterne gibt es hier, am Grenzschild nach Texas hat jemand seine Schuhe stehen lassen. Ich sag jetzt nix von schönen Füßen ...

Wir durchfahren den nördlichen Teil von Texas quer von Ost nach West. Größere Erhebungen sucht man in diesem Teil vergeblich: man sieht flache, weite Ebenen und riesige Felder von Windkraftanlagen. Die Farmen sind riesig. Die Johnson-Ranch zum Beispiel ist 88 Quadratkilometer groß.

Conoco Tower, eine ehemalige Tankstelle mit dem in Route 66-Kreisen offenbar legendären Café-Restaurant "U-Drop Inn". Ein Art Deco-Gebäude aus dem Jahr 1936. Ich mag es nicht recht leiden, es sieht irgendwie unecht aus, oder?

Normalerweise findet man den Ortsnamen auf den Wassertürmen. Dieser hier im Örtchen Groom ist anders – er steht schief und der Name darauf ist der Name des Eigentümers. Witzbold oder Effekthascherei, nehme ich an.

Wir kommen an einen Rastplatz mit Welcome Center, in dem man Landkarten, Informationen über die Umgebung etc. kostenlos erhält. Im Betonboden haben die Bauarbeiter aus Spaß Abdrücke von Tierpfoten eingelassen. Das Gebäude ist gleichzeitig Tornado-Schutzraum, denn wir befinden uns noch im Tornado-Gürtel.

       

In Carson hat ein Privatmann aus Texas seine Ersparnisse und Spenden von Freunden in eine gigantische „Reklame für Jesus“ gesteckt und ein 60 m hohes Kreuz aus Stahl errichten lassen, das man weithin über das platte Land sieht. Um das Kreuz herum sind die 14 Stationen des Leidenswegs Christi dargestellt. Eindrucksvoll, gut gemacht, aber nicht meine Baustelle.

                            

Am Ende des Tages erreichen wir Amarillo.

Eine Attraktion dort ist für jeden Touristen das "Big Texan", ein Grill-Restaurant, in dem man ein 72 oz. (2 kg) schweres Rindersteak inklusive Beilagen kostenlos essen kann, vorausgesetzt man schafft es in weniger als einer Stunde. Ansonsten sind ca. 75 US$ fällig. Wir begnügen uns mit 8 bzw. 11 oz. Eine Drei-Mann-Combo kommt an den einen oder anderen Tisch, und wer mag, kann sich ein Lied wünschen, aber zum Glück in sehr gemäßigter Lautstärke. An unserem Tisch waren sie gerade vorbei, als wir ankamen, und noch nicht wieder angelangt, als wir gingen.

                   

Dann heißt es Bye bye und gute Nacht!

Der Song zur Fahr nach Amarillo ist …nein, nicht DER!! sondern „On the Road again“ von Canned Heat.

Wo immer Ihr uns gerade lest: Guten Morgen, Guten Abend, Gute Nacht!

Eure Roadies

 

Bergfest – In der Mitte von Nirgendwo

Mittwoch, 21.10.2015

Halbzeit! Dies ist die Strecke, die wir bisher gefahren sind (Klick auf's Bild vergrößert wie immer)

    

Naja, eigentlich sind wir schon weiter, weil ich den Blog nicht tagesaktuell schreibe.

Ich sollte zwischendrin mal erwähnen, dass wir beide gern unterwegs sind. Die viele Fahrerei macht uns deshalb nichts aus. Wir wechseln uns oft ab und machen viele Pausen. Und wenn es doch mal zuviel ist, legen wir eine Schonzeit ein, in der wir einfach herumfaulenzen und gar nichts tun.

Die Temperaturen am zweiten Tag in Amarillo waren nur noch halb so hoch wie am Tag zuvor. In der Nähe des Ortes befindet sich der Palo Duro Canyon, dem wir einen Besuch abstatten, bevor wir den restlichen Tag nichts tun als faulenzen.

Frisch und munter machen wir uns am nächsten Tag wieder auf die Reise. Zunächst geht es in einen Autozubehör-Laden, um dort eine Dose Autolack zu kaufen, denn wir haben beschlossen, unter die Sprayer zu gehen.

Der Grund dafür ist die wenige Meilen von Amarillo entfernt liegende Cadillac-Farm.

Eine Künstlergruppe namens Ant Farm aus San Francisco hat dieses "Kunstwerk" erschaffen. Die Autos sind über und über mit Graffiti bemalt und ändern ständig ihr Aussehen. Besucher werden ausdrücklich ermuntert, ihre farbenfrohe Spur zu hinterlassen. Näheres dazu kann man hier bei Tante Wiki erfahren.

  

Wir merken schnell: Wir hätten Pinsel und Farbtopf mitbringen sollen, denn der Wind weht die Sprühfarbe überall hin, bloß nicht auf die Autos.

Aber wozu gibt es die Straße, die zur Cadillac-Farm führt? Dort haben sich schon etliche verewigt, denen es wohl ähnlich ging wie uns. Warum als nicht auch wir? Es ist gar nicht so leicht, unsere Initialen einigermaßen hinzubekommen.

Dann geht es weiter, auf den Spuren von weiteren Kicks.

Zunächst überschreiten wir die Grenze von Texas nach New Mexico, das den Beinamen „Verzaubertes Land“ trägt. Wieder eine neue Zeitzone, wieder eine Stunde „gewonnen“. Es ist, als überholten wir unsere Vergangenheit :)

Die Viehherden werden weniger, und Windräder sieht man hier keine mehr.
Am Midpoint Café in Adrian, Texas, machen wir Halt.

Hier ist die halbe Strecke der Route 66 geschafft, was dieses Schild bezeugen soll.

 

Ein Paar, das aus dem Café kommt, empfieht uns, unbedingt hineinzugehen, die Betreiber seien sehr freundlich und es gäbe „excellent food“. Wir haben zwar keinen Hunger, aber einen Tee und eine Brause trinken wir gern. Also hinein in die gute Stube – und damit direkt hinein in eine andere Zeit - in die pastellige Leichtigkeit der 50er/frühen 60er Jahre. „Strawberry Fields“ von den Beatles klingt aus den Boxen, und ich kann mich gar nicht satt sehen am Mobiliar und den Schildern an den Wänden. Zum Glück sind wir die einzigen Gäste, sodass ich ungestört Fotos machen kann.

Das Café scheint ein Familienbetrieb zu sein. Diese fröhliche Dame hier gehört dazu  

Als wir das Midpoint Café verlassen, trauen wir unseren Augen kaum. Draußen steht eine halbe Armada von Wohnmobilen. Die sind hier oft riesig, und manchmal hängt noch ein PKW hintendran. Man denkt, eine ganze Kleinstadt entert gleich das Café, aber den Riesengefährten entsteigen in der Regel bloß zwei Leute, meistens Oldies wie wir.

Wie elegant wirken dagegen die Oldtimer!

Die Landschaft verändert sich. Der Boden sieht trocken aus. Prärie, einfache Pflanzen kämpfen sich durch den harten Boden, Kakteengewächse, Präriegras.

Alles lässt sich nicht im Bild festhalten. Wir fotografieren sowieso schon ständig – und dann all die „Ahs“ und „Ohs“ und „Guck dir das an!“ Und immer wieder Staunen: So viel weites Land!

 In fast jedem Ort sehen wir großflächige Wandmalereien, die von der Geschichte des Landes und der Flora und Fauna erzählen, oft mit liebevoll dargestellten Kleinigkeiten. Auf diesem Landschaftsbild lässt sich die Schlange, die sich unter den Steinen versteckt, kaum ausmachen.

   

Wir steigen immer mal wieder aus und genießen die Stille. Man hört, wenn ein Käfer durchs Gras hüpft.

Dann geht es wieder durch kleine Orte. Das Blue Swallow Motel in Tucumcari findet in jeder Dokumentation über die Route 66 Erwähnung als wichtiges Wahrzeichen.

„Outlaw Tattoo“ Drive-In :) Was ist denn das? EinTattoo-Laden, bei dem man vorfährt, das entsprechende Körperteil 'rausstreckt und sich vom Tätowierer am Schalter im Schnellverfahren ein Tattoo stechen lässt? Und kriegen das nur Outlaws oder kann jeder, der will?

Die Eisenbahn begleitet uns auf der ganzen Tour. Mit endlos vielen Waggons...

Bis Santa Rosa, einer kleinen Stadt in New Mexico, kommen wir an diesem Tag.

Dort gibt es ein weiteres Highlight zu bestaunen: Das Blue Hole

Das Blaue Loch - ein Brunnen, der konstant ca. 16 Grad Wassertemperatur hat, ca. 24 m tief ist und einen ebenso großen Durchmesser hat, ist schon allein wegen seines ganz klaren Wassers sehenswert. Mehr als elftausend Liter Wasser fließen hier pro Minute durch. Man trifft hier viele Taucher.

Und eine Frau, die mutig ihre Runden schwimmt und uns zuruft, das Wasser sei „frozen“, also eiskalt. Witzigerweise entspinnt sich zwischen ihr da unten und uns da oben auf der Aussichtsplattform eine kleine Unterhaltung, in deren Verlauf sich herausstellt, dass sie eine Zeitlang in Deutschland gearbeitet hat und Hamburg recht gut kennt. Man glaubt es kaum. Irgendwo im Nirgendwo. Und selbst dort ist für Halloween geschmückt.

 

Zur Lockerung der Muskeln tut ein Bad jetzt wirklich gut, da trifft es sich, dass unser Motel einen kleinen Außenpool hat. Die Sonne scheint, es ist warm, doch die Frau, die mit ihren drei Kindern die einzige Besucherin ist, sagt auf Werners Nachfrage, das Wasser sei "frozen."  Ehe ich „brrrrrr“ sagen kann, hat er das Becken schon dreimal durchschwommen. Ich will nicht kneifen und stürze mich in das wirklich eiskalte Nass. Aber es ist, wie es immer ist: Erst bleibt einem fast die Luft weg, und schon nach einer Minute ist es herrlich, im Wasser herumzuschwimmen.

Der Song des Tages ist „Hurdy Gurdy Man“ von Donovan. Der lief auch im MidCafé.

(Leider sind einige Youtube-Videos in Deutschland offenbar nicht verfügbar, weil GEMA und Youtube sich bisher nicht auf eine Vergütung einigen konnten. Ich verlinke sie trotzdem, weil ich von hier leider nicht checken kann, was in Deutschland geht und was nicht.).

Euch einen schönen Donnerstag!

Fresh from the Road

Werner und Helga

 

 

Verzaubertes Land und Stadt des Lichts

Donnerstag, 22.10.2015

Wir verlassen das Städtchen Santa Rosa, in der Achtzehnhundertschießmichtot der Revolverheld und Viehdieb Billy the Kid sein Unwesen trieb. Man beschuldigte ihn, mindestens zehn Morde begangen zu haben, aber nachweisen ließ sich kein einziger. Am Ende wurde er von seinem früheren Freund Sheriff Pat Garrett für eine Kopfgeldprämie von 5000 Dollar erschossen.
Wir verzeichnen keine Schießereien im oder vor dem Motel, und statt zwielichtiger Gestalten begegnet uns, kaum dass wir on the road sind, mal wieder ein Werner

 

New Mexico ist ganz anders als Texas. Es sieht anders aus, die Luft ist anders, es gibt mehr zu sehen für's Auge. War Texas noch flach und voller Weiden und  Windkrafträdern, so schweift der Blick hier ungestört über rote Erde, hohe Berge, Felsen, Wälder – Natur pur, so weit das Auge reicht.

Wir sehen Hochebenen, eigentümlich geformte Felsen und vulkanische Aschekegel, aber auch hohe Grasebenen, in denen spärlich das Präriegras wächst, durchzogen von niedrigen Büschen und dicht am Boden wachsenden Kiefern.Trockenheit prägt dieses Land. Zum Glück fließt der Rio Grande durch New Mexico, eine wichtige Lebensader für die Landwirtschaft.

  

New Mexico ist in weiten Teilen Indianerland. Zunis, Acomas, und besonders die Navajos mit mehr als 200.000 Stammesangehörigen leben hier. Man sieht überall amerikanische Ureinwohner. Die Männer tragen ganz oft Zöpfe, weit öfter als die Frauen.

Unser erster Halt auf dem Weg nach Santa Fe ist Las Vegas. Aber nicht DAS Glitzer-Las Vegas in Nevada. Viele Orte in den USA tragen denselben Namen. So ist z. B. allein Hamburg in Amerika mehr als zwanzigmal vertreten. Und irgendwo gibt es sogar ein Mecklenburg County.

            

Die Häuser sind hier nicht mehr aus Holz, sondern aus rotem Sandstein und teilweise in die Felsen gehauen (Adobe-Baustil). Sie heißen hier „Pueblos". Burritos und Tacos gehören nun zu den Gerichten auf den Restaurant-Speisekarten, und wer mag, trinkt Tequila oder Margeritas. Vielleicht in einem Lokal namens „Blowin' in the wind“?

  

In diesem Städtchen sehen wir auch erstmals Hinweisschilder zum Santa Fe Trail

 

Wir fahren weiter durch das "Verzauberte Land"

und endlich liegt auf 2300 Metern Höhe Santa Fe, die Hauptstadt von New Mexico, vor uns. Es gibt hier keine Hochhäuser, alle Gebäude sind im Pueblo-Stil gehalten. Die Stadt hat eine reiche spanische Geschichte, und sie ist wunderschön. Allerdings rennen unglaublich viele Touristen herum – naja, wir ja auch.

            Santa Fe ist Stadt der Künstler. Es heißt, hier ist die Luft so klar, dass es ein ganz besonderes Licht gibt. Auch eine Schweizerische Schriftstellerin, deren unterhaltsame Bücher ich ganz gern lese, lebt hier. Da sie ihren Umzug von der Schweiz nach Santa Fe ausführlich thematisiert hat, ist es kein Geheimnis, in welcher Gegend sie wohnt.

An der Straße befinden sich dicht an dicht Galerien, viele Leute sind unterwegs, es wird gejoggt, Hunde werden Gassi geführt, man kennt sich, man grüßt sich. Auch wir werden hier und da mit einem „Guten Morgen“ bedacht, als wir einen kleinen Spaziergang entlang der Galerien machen. Vor allem Bilder und Skulpturen sind ausgestellt. Hinter den Geschäften in den Innenhöfen liegen hinter Zäunen und Bäumen die winzigen Häuschen, für die man ein Vermögen zahlen muss.

 

Ganz Santa Fe ist voller Kunst  und Humor hat man auch

            Stränge von Chilischoten, „Ristas“ genannt, hängen überall als Deko. Es gibt sie auch zu Kränzen geformt als Türschmuck.    

Der Park in der Stadtmitte lädt zum Verweilen und Leute-Gucken ein.

     

Abseits von Kunst und auch dem einen oder anderen „Das-kann-weg“ befindet sich direkt vor unserem Hotel eine Pfandleihe, etwas, das man hier in jeder Stadt, in jedem Ort sieht. Gekauft werden „Gold, Waffen, Gitarren und Juwelen“. Und hinter dem Haus wird verkauft: „Feuerwaffen zum besten Preis der Stadt – bis zu 50 Prozent reduziert.“ Der Wilde Westen lebt ;-)

    

Das war Santa Fe, eine lebendige, wunderschöne Stadt. Gleich geht es weiter, wir fahren über Albuquerque nach Gallup.

Bis dahin bleibt munter!

Eure Routiniers
Werner und Helga

Da braut sich was zusammen

Samstag, 24.10.2015

Wir sagen „Adios, Santa Fe“, und es geht gutgelaunt bei schönem Wetter weiter.

Albuquerque hat einen hübschen kleinen Stadtkern zu bieten. Das Bild von Santa Fe wiederholt sich, nur sind Plaza und Läden etwas kleiner dimensioniert, und es sind weniger Touris unterwegs. Die Plaza ist von Bäumen umstanden. Manchmal tritt im Musikpavillon eine Band auf und spielt mexikanische Rhythmen.

 

     

Eine alte Kirche im Adobe-Stil mit Kirchgarten

  

Nach einem Rundgang ziehen wir weiter und überqueren den Rio Grande

On the Route 66 again     

Bei Rio Puerco gibt es eine alte Stahlbrücke aus dem Jahre 1933 zu bestaunen.

          Das Flussbett ist ausgetrocknet, das sehen wir oft.

Im Nest Villa de Cubero soll Ernest Hemingway in den 30er Jahren an seinem Roman „Der alte Mann und das Meer“ geschrieben haben. Wir haben inzwischen Schietwetter und fahren die neben der Route 66 verlaufende Interstate 40.

         Schon seit einiger Zeit türmen sich dicke Wolkenbänke über uns auf. Dort, wo es am dunkelsten ist, schießen gewaltige Blitze vom Himmel. Leider fahren wir genau darauf zu. Der Himmel über uns ist dunkelgrau, es beginnt zu regnen. Erst mäßig, dann heftiger. 

Werner, der extremes Wetter liebt, ernennt mich als Beifahrerin zur „Tornado-Beauftragten“, denn bei solchen Bedingungen entwickelt sich in diesen Landstrichen gern mal ein Tornado. Ein bisschen mulmig wird mir schon, wenn ich die Blitze und schwarzen Wolkenmassen über uns, hinter uns, neben uns und vor uns sehe... Aber: Das Land ist weit, der Himmel hoch, das Auto klein, da wird es wohl kaum ausgerechnet uns treffen. Ich war schon immer der Meinung, dass man das eigene Leben überbewertet. Es macht ja doch nicht, was man will ;-)
Tja, und dann gucke ich zufällig auf's Handy und traue meinen Augen nicht:

 

„Tornado-Warnung in dieser Gegend bis 14.15 Uhr. Suchen Sie jetzt Schutz. Beachten Sie Medien-Meldungen.“

Sehr lustig. Hier ist weit und breit nur Pampa. Als Tornado-Beauftragte informiere ich den Fahrer natürlich umgehend: „Oh nee, huuuaaaa, hier steht, wir sollen Schutz suchen.“ - „Aha, und wo?“ kommt es trocken von Werner. Den leicht belustigt-ironischen Tonfall überhöre ich geflissentlich.

Ich, leicht hektisch: „Weiß nicht, keine Ahnung, guck doch mal, was die anderen machen.“ Typisch. Wenn es ernst wird, ist das Rudel wieder gut genug... Die Autobahn ist nicht stark befahren, aber hinter uns sind zwei Lichter zu sehen. Wir kommen an einer Abfahrt vorbei. Werner: „Die hinter uns fahren ab.“ Na toll. Die haben alle ein Zuhause. Bloß wir fahren hier als Lustreisende herum...

Aber vor uns sind noch Rücklichter zu sehen. Werner gibt Gas. Ich, leicht genervt: „Kannst du die da vorn bitte NICHT überholen?“ Doch als Tornado-Beauftragte muss ich umsichtig agieren und füge deshalb erklärend hinzu: „Falls etwas passiert, sind wir wenigstens nicht allein in der Grütze hier.“ Werner lacht. In den Filmen, die er gesehen hat, drehen die Leute im größten Schlamassel immer noch die tollsten Videos vom Tornado direkt vor ihnen.

Dann meldet er:„Da kommen noch welche hinter uns.“ Na Gott sei Dank. Man wird uns finden und Erste Hilfe leisten. Hoffentlich filmt das niemand. Ich gucke unruhig auf die Uhr. Als wüsste das Wetter, dass es um 14.15 Uhr besser werden muss. Dann fotografiere ich die Handy-Meldung und beruhige mich mit dem Gedanken: „Solange du noch den Tornado-Alarm fotografierst, kann es so schlimm nicht sein. Und wenn doch, hat die Nachwelt wenigstens kein Problem mit der Ursachenforschung.“

Was einem nicht so alles Abstruses in den Sinn kommt, wenn die Natur macht, was sie will und man sich ganz klein fühlt... Und dann wird es 14.15 Uhr und das schlimmste Unwetter ist vorbei. Hinter uns ist es noch finster, aber ansonsten klart es auf.

Wir kommen zur kontinentalen Wasserscheide. Sie ist hier über 2.200 Meter hoch und bildet das Rückgrat des amerikanischen Kontinents. Alles Wasser, das nach Westen fließt, geht in den Pazifik und nach Osten über den Golf von Mexico in den Atlantik.

Dann erreichen wir die Ausläufer von Gallup und sehen die zweite Moschee auf unserer Tour.

     

Interessant, denn Gallup ist das Zentrum vieler Indianerstämme, die sich hier regelmäßig zu Intertribal Veranstaltungen treffen. Im Sommer finden jeden Abend Tänze statt. Südlich der Stadt liegt das Reservat der Zuni, nördlich das der Navajos. Darüber hinaus ist dreierlei in Gallup bemerkenswert:

- Der Rangierbahnhof parallel zur Hauptstraße, der Route 66

- Die Tatsache, dass man sonntags in ganz Gallup keine alkoholischen Getränke bekommt

- Das El Rancho Hotel, das 1937 gebaut wurde und Stars wie John Wayne, Kirk Douglas, Humphrey Bogart, Spencer Tracy, Gregory Peck, Burt Lancaster, Robert Mitchum, Katherine Hepburn und Ronald Reagan beherbergt hat. Um nur einige zu nennen. Die Fotos nebst Autogramm hängen an der Wand der oberen Galerie. Das El Rancho wurde vom Bruder eines damals bekannten Filmproduzenten gebaut und war daher Hauptquartier der jeweiligen Filmcrews, die Western und ähnliche Filme in der Umgebung drehten.                                                  

                        

Wir lassen es uns nicht nehmen und buchen zu zivilem Preis ein Zimmer für die Nacht.

Leider verfehlen wir Humphrey Bogart, der nebenan logierte, und erhalten Zimmer 211, in dem einst Schmalzbacke Errol Flynn wohnte. Das Zimmer hat viel Charme inklusive eines leichten Muffelfaktors. Aber der lässt sich ignorieren, denn es ist sauber und geräumig, und es gibt große altmodische Fenster über Eck, die sich hochziehen lassen. Das Bad ist winzig, aber ebenfalls sauber.

                    

Irritierend, dass die Zimmertür eine Klappe zum Herunterziehen hat, mit der sich offene Holzlamellen verbergen lassen. Schnell wird klar, dass dies früher als Klimaanlage diente. Man öffnete das Fenster gegenüber und zog die Klappe der Eingangstür hoch, sodass Luft durch die Lamellen strömen konnte. Leider fehlt der Pinökel, der die Klappe sicherte, deshalb stopfen wir Papier hinein.

         

Auf der oberen Galerie gibt es einen „Restroom for Ladies only“, der ebenfalls wie aus der Zeit gefallen wirkt. Man kann sich gut vorstellen, wie die Damen sich dort die Nasen puderten und ein wenig auf der samtbezogenen Bank pausierten. Was für Gespräche hier wohl geführt wurden?

    

Das Beste aber ist sind Foyer und Galerie, sogar einen Schuhputz"thron" gibt es (leider nicht fotografiert):

                   

und damit für heute Bye Bye!

Eure Werner und Helga

 

Down and Up and Down

Sonntag, 25.10.2015

Moin nach Germany und überall in der großen weiten Welt!

Wir verlassen Gallup, New Mexico, bei Sonnenschein und überfahren die Grenze nach Arizona. Wieder eine Zeitzone überschritten – wir werden immer jünger!
Arizona trägt den Beinamen „Canyon State“. Der bekannteste und berühmteste Canyon ist sicherlich der Grand Canyon, aber man kann hier wochenlang weniger spektakuläre, aber ebenso schöne Canyons durchstromern. Es gibt Canyons mit Klippenwohnungen und Felsmalereien und versteinerte Steinwüsten, die je nach Lichteinfall ein prächtiges Farbenspiel bieten.
Uns aber zieht es weiter auf der Route, westwärts, zu weiteren Kicks.
Auch hier in Arizona gibt es viel Viehzucht. Ab und zu sieht man kleine Pumpanlagen, die Grundwasser für die Rinder fördern. Apropos Rinder: Ursprünglich waren in Amerika Bisons (Büffel) heimisch. Die Indianer erlegten sie für den Eigenbedarf, nutzten praktisch alles vom Tier, vom Fleisch zum Essen bis zum Fell als Bekleidung. Die Sehnen dienten für Pfeil (zum Befestigen der Feder) und Bogen (als Sehne).
Mit den Europäern kamen die Rinder, und die Büffel wurden nun vom weißen Mann (und auch von einigen profitgierigen Indianern) gejagt, um das Leder nach Europa zu bringen. Dort hatte man Büffelleder als perfekt für die Herstellung von Treibriemen und Lederwaren entdeckt.
Bedauerlich, denn die bisons waren weit besser an Klima und Vegetation angepasst als die Kühe. So stolperten z. B. die Rinder häufig in die überall gegenwärtigen Löcher der Baue der Präriehunde (Erdmännchen). Was wiederum dazu führte, dass die Präriehunde zuhauf abgeknallt wurden.

Inzwischen ist der Bestand an Büffeln wieder recht hoch, und er wächst weiter.

Während wir auf unserer Fahrt so über Kühe und Büffel sinnieren (ich sage jetzt nicht, dass mir unweigerlich der Schlager "7000 Rinder" von Peter Hinnen einfiel, den ich als Kind schrecklich-schön fand), erreichen wir den Petrified Forest National Park

Auf dem weiteren Weg sehen wir öfter mal Schilder : „Rindviecher kreuzen“. Und tatsächlich, hier wandern sie gemütlich quer über die Straße. Ich bin zu spät dran und kann sie leider nicht mehr aufs Bild bannen.

Und dann *tata* kommen wir zu meinem Höhepunkt des heutigen Tages, dem kleinen Ort Winslow, Arizona. Die Eagles besingen in ihrem unbeschwert-fröhlichen Country-Song „Take it easy“ den Ort mit der Textzeile „Ich stehe an einer Ecke in Winslow, Arizona“.

Well, I'm a standin' on a corner
In Winslow, Arizona
Such a fine sight to see
It's a girl my Lord
in a flat-bed Ford
Slowin' down to take a look at me
Come on, baby, don't say maybe
I gotta know if your sweet love
Is gonna save me
We may lose and we may win
Though we will never be here again
So open up I'm climbin' in
So take it easy ...

Was ich nicht wusste: Winslow, Arizona hat geschäftstüchtig aus „a corner“ „the corner“ gemacht und die Ecke Kingsley Avenue/West Second Street als den betreffenden Ort festgelegt. Genialer Touristen-Anziehungspunkt, und zum Glück sehr nett gemacht. Aus den Kneipen und Geschäften ringsum schallt dezent Musik von den Eagles. Natürlich muss ich mir einen Aufkleber „Standing on the Corner in Winslow, Arizona – I stood there“ kaufen. Yeah! Und ich frage die Kassiererin, wie nervtötend das sein muss, jeden Tag ununterbrochen die Eagles hören zu müssen. Sie rollt die Augen und lacht. „Ja, das nervt manchmal, aber wenn es zu schlimm wird, lege ich auch mal andere Songs aus den 70ern auf.“
Ich jedenfalls habe meinen Spaß. Oldies wie wir hängen um den Platz herum, haben Spaß und fotografieren sich gegenseitig. Hier sehen wir auch die beiden Motorradfahrer wieder, die heute morgen noch mit uns im Frühstücksraum des El Rancho Hotels saßen.

Weiter geht es. Schnell landen wir in Holbrook. Hier ist das Wigwam Motel der Hingucker – wieder eine von den Route 66 – Sehenswürdigkeiten, die auf Fotos fantastisch aussehen und in Wirklichkeit an Attraktivität verlieren. Trotzdem nett anzusehen. In Joe & Aggies Café soll es einen leckeren Nachtisch namens „Apple-Burito à la mode“ geben. Aber der Laden ist noch geschlossen.   Anschließend sehen wir uns den Meteor Crater an. Vor fünfzigtausend Jahren ist hier durch einen gewaltigen Meteoriteneinschlag ein 170 Meter tiefer Krater entstanden.
Die Apollo-Astronauten nutzten den Krater als Trainingsplatz für ihren Mondspaziergang. Es gibt eine kleine Wall of Fame und eine Original-Kapsel auf dem Gelände. Man kann sich per Führung oder Film über den Krater informieren lassen.
Auch die Gegend ringsum ähnelt einer Mondlandschaft.

Werner geht ein Stück ins Gelände hinein. Ein Suchbild:

Neben Rindern am Straßenrand begleitet uns wieder die Musik. Heißt es doch im Text von (Get your Kicks) On Route 66: „Don't forget Winona“, obwohl es gar nicht direkt an der Route 66 liegt. Vermutlich wurde es gewählt, weil es sich auf „Arizona“ reimt. Ein Foto von der Abfahrt ist aber es allemal wert. 

Am Nachmittag treffen wir im ca. 2150 m hoch gelegenen Flagstaff ein. Es erhielt seinen Namen, als 1876 eine Gruppe von Siedlern hier kampierte. Sie kamen auf die Idee, eine sehr hoch und gerade gewachsene Kiefer als Fahnenmast zu verwenden, um das hundertjährige Bestehen der USA zu feiern. Dieser „Flag Staff“ diente nachfolgenden Siedlern als Wegweiser durch das noch unbekannte Land., und der Ort hatte seinen Namen weg. Übrigens war die Gegend um Flagstaff einer der Drehorte des Films „Easy Rider“.

Wir essen in einem Chinarestaurant vom Bufett. Warum auch immer, Werner verbringt die Nacht und den folgenden Tag pendelnd zwischen Bett und Bad. Es geht ihm gar nicht gut.
Freitag ist er soweit genesen, dass wir dem Grand Canyon einen Besuch abstatten können. Der Weg dahin ist bewaldet, man sieht einige hohe Berge.Die ganze Gegend ist Wintersportgebiet.

Am Grand Canyon waren wir schon einmal, vor ca. zwölf Jahren. Die Wege am Canyonrand entlang sind inzwischen durch Geländer gesichert, und es gibt einige Aussichtsplatformen. Der atemberaubende Eindruck vom ersten Mal ist unwiederbringlich, trotzdem ist es ein beeindruckendes Wiedersehen.

       

Im Park sehen wir Wild, das gemütlich über die Straße spaziert.

    

Am frühen Nachmittag, noch auf dem Weg zurück zum Hotel, geht es mit zunehmend schlechter. Jetzt hat es zur Abwechslung mich erwischt: Die Nacht und den folgenden Tag verbringe diesmal ich pendelnd zwischen Bett und Bad, mit genau den Symptomen, die auch Werner hatte. Wir bleiben deshalb einen Tag länger als geplant. Obwohl Wochenende ist, haben wir Glück: Unser Hotelzimmer ist für eine weitere Nacht frei, sodass wir nicht umziehen müssen.
Und Werner geht es wieder soweit gut, dass er nachmittags einen kleinen Rundgang durch den hübschen Ortskern machen kann. Auch hier wieder hat man die Stadtgeschichte als Wandmalerei dargestellt.

 

Und immer wieder sieht und hört man die Eisenbahn. Wir zählen drei Loks zum Ziehen, 125 Waggons, zwei Loks zum Schieben.

Wir hoffen, es geht euch allen gut und grüßen aus der Ferne


Werner und Helga

Seligman

Dienstag, 27.10.2015

Am Morgen vor unserer Abreise aus Flagstaff beobachte ich von unserem Zimmer im ersten Stock, wie ein Mann eine Flasche Wein aus einer Kiste von der Ladefläche seines Pickups nimmt. Er wirft sie mit gezieltem Schwung auf das Wellblechdach des Containers gegenüber, wo sie mit einem lauten Rumms landet. Dann steigt er in den Pickup, fährt fort und kommt nicht wieder. 

Kurios. Ich liebe solche Geschehnisse, die die Fantasie anregen. Die Miss Marple in mir vermutet sofort getarnten Sprengstoff oder eine heimliche Übergabe von Rauschmitteln. Oder so. Doch die Buddel liegt noch da oben, als wir abfahren. Ich entscheide mich für die Happy End-Variante: Ein trockener Alkoholiker hat die Flasche als Dank für seine Hilfe bei irgendeiner Arbeit bekommen und wirft sie weg, ehe sie ihm zum Verhängnis werden kann. Nicht irgendwohin, sondern dahin, wo sie unerreichbar ist. Oder so. :)

Einigermaßen genesen verlassen wir Flagstaff. Heute liegt eines der besterhaltenen und besonders malerischen Teilstücke der alten Straße vor uns. Wir erreichen schon bald das erste Städtchen, Williams, das das Auge mit gut erhaltenen Bauten, liebevoll gestalteten Läden, Lokalen und Häusern erfreut. Ein lebendiger Ort.

Auf der weiteren Strecke grüßt die Eisenbahn mit Maersk-Container, und Amandas Beauty Box bietet „Full Service“. Na sowas!

Bei der Weiterfahrt entdecken wir auch hier wieder, wie schon vorher auf der Route, in gleichmäßigen Abständen vier Tafeln mit Aufschriften am Straßenrand. Unsere Route 66-Lektüre informiert uns, dass es sich um Werbung der Firma „Burma-Shave“ handelt, einen Vorläufer der großen Reklametafeln späterer Zeiten.

Auf jeder Tafel steht ein kurzer Satz. Zusammen ergeben sie einen Reim, der auf humorvolle Art Werbung für die Rasiercreme macht. Fährt man zu langsam, verpasst man den Reim, fährt man zu schnell, kann man die Schrift nicht lesen. Beim Blogger Marcel Huijser habe ich diese Fotos von den Old School-Tafeln gefunden, die ich besonders amüsant fand.

Vor uns liegt ein weiterer Höhepunkt der Reise, der Ort Seligman, und mit ihm ein Mann namens Angel Delgadillo, auch „Vater der Mother Road“ genannt. Seine Lebensgeschichte ist gleichzeitig auch ein Stück Geschichte der Route 66, und als wir nach Seligman hineinfahren, rätseln wir, ob der Mann wohl noch lebt, denn alle Berichte, die wir gesehen, und die Informationen, die wir gelesen haben, sind schon mehrere Jahre alt:


...„Angel Delgadillo wurde am 19. April 1927 in Seligman, Arizona geboren, einem kleinen Ort an der Route 66. In seiner Kindheit erlebte er noch die Durchreise hunderttausender Farmer aus Oklahoma und Arkansas, die aufgrund der Großen Depression/Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren sowie der Dürrejahre hoch verschuldet waren und über die Route 66 nach Kalifornien zogen.

Im Roman "Früchte des Zorns“ von John Steinbeck (der übrigens den Begriff „Mother Road“ erfand) wurde diese Geschichte 1939 thematisiert und später mit Henry Fonda verfilmt.
Als im September 1978 ein wichtiges Teilstück des Interstate Highway 40 eröffnet wurde, führte dies schlagartig dazu, dass die Touristen den kleinen Ort Seligman weiträumig umfuhren. Seligman war wie viele andere Orte an der Route 66 über Nacht vom Durchgangsverkehr dieser wichtigen Ost-West-Verbindung abgeschnitten. Die Motels, Restaurants und Tankstellen hatten buchstäblich über Nacht ihr Gewicht als Hauptwirtschaftsfaktor verloren. Viele Orte verfielen zusehends (das sieht man heute an allen Ecken und Enden, wenn man die ganze Route 66 fährt)
Delgadillo und einige Gleichgesinnte wollten sich nicht damit abfinden, dass auch ihr Ort zur Geisterstadt werden sollte. Sie gründeten die „Route 66 Association“ und kämpften jahrelang dafür, dass die Route 66 als "State Historic Route" vom Bundesstaat Arizona anerkannt und geschützt wird, bis sie 1987 tatsächlich Erfolg hatten.
Zeitgleich wurde die Nostalgiewelle um die alte Route 66 als Amerikas „Mother Road“ ausgelöst, und der kleine Ort Seligman rückte in den Blickpunkt weltweiten Interesses.
In Seligman befand sich auch das originelle Schnellrestaurant Delgadillo's Snow Cap Drive-In, das von Angel Delgadillos Bruder Juan 1953 eröffnet wurde und Kultstatus erreichte. Bis zu seinem Tod im Jahr 2004 unterhielt Juan seine Gäste mit originellen Sprüchen und lustigen Späßen.
Der wortkargere Angel Delgadillo betrieb nebenan jahrzehntelang den örtlichen Friseursalon, der zu einem Treffpunkt von Route-66-Enthusiasten aus der ganzen Welt wurde und heute vor allem als Andenkenladen und Anlaufpunkt für Touristen dient, die den kleinen Fiseurladen mit tausenden kleiner Andenken, wie Visitenkarten, Geldscheinen, Postkarten und Nummernschildern aus aller Welt dekoriert haben.
Über Angel Delgadillo, der mittlerweile als "Schutzengel der Route 66" oder als "Vater der Mother Road" verehrt wird, wurde in zahlreichen Artikeln, Büchern und Dokumentarfilmen zum Thema Route 66 berichtet.
In Interviews verriet Filmemacher John Lasseter, dass der fiktive Ort Radiator Springs in seinem Oskar-nominierten Animationsfilm „Cars“ hauptsächlich auf Seligman basiert. Bei der Recherche über die Route 66 habe er sich mit dem alten Friseur Angel beraten, der ihm davon erzählte, wie es war, als Seligman über Nacht vom Verkehr abgeschnitten wurde und die Einnahmen des Ortes wegblieben.“
(Aus Wikipedia)

Wir treffen an diesem verschlafenen, sonnigen Sonntagvormittag in Seligman ein. Die Hauptstraße, die durch Seligman führt und an der fast alle Häuser und Geschäfte angesiedelt sind, liegt bis auf einen parkenden Reisebus verlassen da. Vor einem Laden hängen ein paar Leute herum und fotografieren.

Im ersten Moment denke ich: „Bitte nicht noch mehr alte Holzhütten, verrostete Tanksäulen und Souvenir-Kram.“ Wir parken vor der „Grocery“, dem Lebensmittelladen des Ortes. Die Asiatin an der Kasse grüßt freundlich, wir ziehen ein paar Scheine aus dem Geldautomaten (Geldautomaten findet man hier eigentlich immer in Tankstellen und Supermärkten) und kaufen ein Eis. Ich kämpfe immer noch mit den verschiedenen amerikanischen Münzen und reiche daher meistens Dollarscheine (der kleinste ist der 1-Dollar-Schein) über die Theke. Aber diesmal habe ich Zeit, denn der Laden ist leer, und die Kassiererin freut sich über das passend abgezählte Kleingeld.

Wir gehen die paar Meter hinüber zu den Häuschen und Läden und tauchen ein in die Welt der Oldtimer.

Im hinteren Teil eines Souvenir-Ladens sind Motorräder ausgestellt. Schmuckstücke.

Und dann packt einen doch wieder der spezielle Charme, das besondere Etwas der Autos, Bikes, Heckflügel, des vielen Chroms, und der Zuckerbäckerfarben Himmelblau, Himbeerrosa und Pastellgelb, die an Petticoats, Eiscreme und Zitronenlimonade erinnern.
Lebensgroße Aufsteller sind allgegenwärtig, selbst auf dem Örtchen: Elvis Presley bei den Ladies, Marilyn Monroe bei den Jungs. Ich hatte den Herrn beim Eintreten gar nicht gesehen und war einigermaßen erschrocken, als ich aus der Kabine trat.

Die Häuser von früher waren ganz niedrig und hatten deutsche Nummernschilder an der Garage ;-)             

 

Humor hat man in Seligman auch 

"Wenn das Pferd stirbt - steig ab"

"Here lies Billy Pretzel / Last Guy who touched my Edsel"

(Hier liegt Billy Pretzel, der letzte Kerl, der mein Edsel berührt hat)

Das Wort "Edsel" ist charmant hinter Grünzeug versteckt. Was ein "Edsel" ursprünglich war und welche, sagen wir mal, vielfältig interpretierbaren Wortspiele damit verknüpft wurden, ist HIER nachzulesen :D)

Zurück ins Hier und Jetzt: Vor diesem Haus, dem berühmten Laden und Barber-Shop von Angel und Vilma Delgadillo, posiert und fotografiert inzwischen fleißig die (dänische) Gruppe aus dem Reisebus. Auch James Dean hat sich unter das Volk geschmuggelt.

Und noch jemand taucht plötzlich auf. Werner sagt: „Das ist er“, und ich drücke spontan auf den Auslöser: Angel Delgadillo kommt, zufrieden lächelnd, auf seinem Fahrrad vorbei, direkt vor unserer Nase. Ein ganz besonderer Moment, ein echter Kick auf der Route 66.

Der Bus fährt schließlich fort, Angel D. dreht weiter die Runde durch „seinen“ Ort, und wir nehmen noch kurz für ein Foto auf der Bank vor seinem Barber-Shop Platz, bevor wir wieder ins Auto steigen. Zum Schluss machen wir noch ein Foto von Lilo's Café. Lilo, eine Deutsche, führt ihr Restaurant am Ortsausgang seit einigen Jahrzehnten mit großem Erfolg. Es soll Schnitzel, Bratwurst und Torte geben. Nicht für uns, denn wir haben noch keinen großen Appetit.

             

Die Landschaft hinter Seligman wird wieder karger. Seltsame Pflanzen, die an Hirsekolben erinnern, wachsen am Wegesrand. Wir steigen kurz aus, genießen die Stille und sehen uns um. Hopi-Land, sagt das Schild vor uns.

Es folgt Hackberry, ebenfalls ein Ort mit wechselvoller Geschichte. Einst Silbermine, später Geisterstadt, wurde es in den frühen 1990er Jahren durch den Kartografen und Künstler Bob Waldmire wiederbelebt, indem er den einstigen General Store als Tourismus-Center und – na was wohl – Souvenir-Shop einrichtete. 1998 kam ein Pärchen, John and Kerry Pritchard , in ihrem Oldtimer auf ihrer Route-66-Tour vorbei, blieb hängen und kaufte spontan das „Anwesen“. Vermutlich war es Kerry, die mir den kleinen Schlüsselanhänger verkaufte. Bob Waldmires Asche wurde auf seinen Wunsch hin übrigens an mehreren Orten entlang der Route verstreut. Tja, so kann es gehen...

In Kingman verlassen wir die Route 66 für einen Abstecher zum Hoover-Staudamm und nach Las Vegas. Davon in Kürze mehr.


Erstmal grüßen wir ganz „Rout“iniert nach N S W E


Eure Route-66ler

Glitzerpaläste und Geldmaschinen

Freitag, 30.10.2015

Am Nachmittag verlassen wir bei Kingman die Route 66 und biegen nach Norden ab, denn wir wollen in das ca. 100 Meilen (ca. 160 km) entfernte Las Vegas. Werner ist natürlich auch wieder dabei.

Wieder fahren wir durch Indianerland. Die Landschaft wird karger. Wir befinden uns in der Mojave-Wüste, einer Regenschattenwüste. Regenschattenwüsten entstehen, wenn sie von Gebirgen umgeben sind, die die Wolken stauen und abregnen lassen, so dass für das Land hinter dem Gebirge kein Wasser mehr übrig bleibt. Sie ist nach dem Indianervolk der Mohave benannt. (Danke, Tante Wiki.)

An der Grenze der US-Bundesstaaten Arizona und Nevada stoßen wir nicht nur auf den Hoover-Dam, einer Talsperre, die den Colorado River zum Lake Mead staut, sondern sehen auch die erste Palmen unserer Reise :D

     

In höheren Lagen sind Steinböckchen unterwegs:  

Da möchte ich nicht Mitglied sein (und auch mit keinem zu tun bekommen)

Es ist Sonntag, und der Hoover Dam ist gut besucht. Fotos sind wegen der Größe der Anlage nicht sehr aussagekräftig, mehr gibt es HIER 

(Bild 3 von tripadvisor.de)

Die Talsperre wurde in den 1930er Jahren nach der Weltwirtschaftskrise, einer verheerenden Dürre im Westen der USA, und um die hohe Arbeitslosigkeit einzudämmen, gebaut. Inzwischen sinkt der Wasserspiegel des Lake Mead beständig, und im Südwesten der USA herrscht seit vielen Jahren eine Dürre.

Die Arbeiter, die an dem Bau beteiligt waren, und ihre Familien lebten im nahe gelegenen Boulder City. Glücksspiel und Alkohol war ihnen streng verboten. Das nur 50 km entfernt gelegene kleine Kaff Las Vegas (was soviel heißt wie „Die Auen“ oder „die Wiesen“), das 1905 an Spekulanten und Investoren verkauft wurde, nahm seine Chancen wahr, und die Besucher, auch aus Boulder City, strömten herbei. Glücksspiel war in Nevada bereits seit 1931 erlaubt. In den 50er Jahren erblühte die Stadt zusehends, gleichzeitig nahm der Einfluss der Cosa Nostra zu, deren Bosse in Miami oder Chicago saßen und von dort die Geschäfte steuerten. Dubiose „Geschäfts“praktiken skrupelloser Gangster sorgten dafür, dass der Ruf von Las Vegas lange Zeit weitgehend ruiniert war.
Erst in den 80er Jahren gelang es, durch große Zaubershows und musikalische Darbietungen ein breiteres Publikum anzusprechen und etwas „familienfreundlicher“ zu werden.

Soweit die Geschichte.  In Las Vegas finden wir schnell unser Hotel und sind auch flugs im riesigen Parkhaus, das zum Hotel gehört – und gleichzeitig zum Einkaufszentrum, das wiederum auch zum Hotel gehört. Das Gute daran: Wir finden schnell einen Parkplatz. Noch besser: Das Parken ist für die gesamte Zeit unseres Aufenthalts kostenlos. In Großstädten ist das nicht selbstverständlich, da werden, z. B. in New York City oder auch Chicago, schnell mal 10 bis 25 Dollar pro Tag extra nur für's Parken fällig. Das Dumme daran: Weil alles so riesig ist, laufen wir erstmal durch die halbe Shoppingmeile auf der Suche nach dem Eingang zum Hotel. Die ganze Zeit begleitet uns nervige Musik aus den überall gegenwärtigen Lautsprecherboxen. Vermutlich singt Britney Spears, die hier im angeschlossenen Show-Dingsbums einen 2-Jahresvertrag für ihre Las Vegas-Show hat. Über der Shoppingmeile: ein künstlicher Himmel.

Schließlich findet Werner die Hotelrezeption, nachdem er nicht nur die halbe Meile, sondern auch noch das zum Hotel gehörige mindestens fußballfeldgroße Casino durchquert hat. An der Rezeption angekommen gucke ich verstohlen nach meinem Schrittzähler-Männlein und wundere mich wieder mal, dass es noch nicht explodiert ist vor Freude. Der Boden unter mir wackelt sachte. Mein Kreislauf? Oder ist das alles hier auf Sand gebaut? ;-)
Unser Zimmer ist toll, besonders das Bad. Wir wohnen mitten im Zentrum im Hotel Planet Hollywood. Das klingt teuer, ist es aber nicht. Wenn man nicht gerade am Wochenende hier ist, bekommt man schon für 50 bis 80 Euro ein 4-Sterne-Zimmer mit allem Schnickschnack, z. B. Außenpool auf der 6. Etage und kostenlosem Parken. Das Geld machen die Hotels über ihre Casinos. Jedes Zimmer hat ein Film-Thema, unseres war „Basic Instinct“. Kenne ich nicht, den Film, aber im Zimmer gab es einige Mord-„Requisiten“ hinter Glas zu bestaunen.

Nach einer Verschnaufpause stürzen wir uns ins „Nachtleben“, was in unserem Fall bedeutet: Wir treten vor die Tür und bleiben erst einmal stehen. Menschenströme auf dem Boulevard. Lichter, gleißende Leuchtreklamen, Wärme. Palaver, Geschrei, herausgeputzte Chicas vom Lande in hautengen Kunstfaserkleidchen tippeln auf Stöckelschuhen vor mir her, dickbäuchige Männer, Südamerikanische und asiatische Familien mit Kleinkindern auf dem Arm und im Buggy. Überall hält man Handys in die Höhe, bleiben ganze Gruppen abrupt stehen für ein Erinnerungsfoto. Der Lärm erschlägt uns fast. Popmusik aus Lautsprechern kollidiert mit Latino-Rhythmen aus dem Restaurant nebenan, alles wird übertönt vom Trommelgedröhne selbsternannter Straßen“musiker“. Der Boden schwankt.

Zum Glück ist es nicht zu heiß, es fühlt sich eher an wie ein schöner norddeutscher Sommerabend. Gegenüber ist das wunderschöne Hotel „Bellagio“.

Da wollen wir hin, denn auf dem künstlich angelegten See davor gibt es alle halbe Stunde Wasserspiele zu sehen. Wir warten geduldig, und - oh Wunder – als die ersten Takte von „Time to say Goodbye“ erklingen, wird es ganz still, und zum Klang der Geigen erheben sich die ersten Wasserbögen. Für die nächsten paar Minuten schafft dieser verquere Ort es, einfach nur still und schön zu sein, bevor es wieder los geht.

 

 

Am nächsten Morgen gehen wir früh los, um der Mittagshitze auszuweichen. Werner möchte sich die Lobbys der Hotels ansehen. Mir ist das recht: Es gibt viel zu sehen, und drinnen ist es angenehm kühl. Impressionen von unserem Spaziergang:

 

Im „Venetian“ fahren Gondoliere durch Kanäle im Innenhof des Hotels, der Himmel ist - na was wohl? - künstlich.

Und abends erscheint am Himmel vor unserem Fenster der Mond. Falls nicht jemand heimlich einen künstlichen da hingehängt hat ;-)...

       

 

Ein Fazit:
Las Vegas ist verrückt. Eine große Fassade. Irgendwie überflüssig und doch unglaublich faszinierend: Dass es so etwas gibt! Las Vegas – das ist ein riesiger Spielplatz im Sandkasten, mitten in der Wüste, mit irrem Strom- und Wasserverbrauch.

Und man sieht deutlich die Kehrseite dieser erbarmungslosen Geldmaschinerie: Zerlumpte Gestalten, die laut palavernd und wild gestikulierend herumlaufen, in Mülltonnen wühlen oder einfach da sitzen und mit zum Teil seltsamen Ideen um Geld betteln. „Bitte um Geld für eine Samenspende für ein lesbisches Paar“ ist da auf einer Pappe zu lesen. „Ich trinke nicht“, liest man auf einer anderen. Ein älterer Mann wiederum bekennt: „Warum lügen – brauche Bier“.

Ich weiß, das alles gibt es bei uns auch. Nur ist hier, in dieser Glitzer-Kulisse, der Unterschied zwischen Glanz und Elend so augenfällig.


„Nirgendwo geht es bunter zu als auf der Welt“, sagte schon meine Oma. Dazu gehören alle Farben. Auch die schrillsten.

In diesem Sinne "Viva Las Vegas" und Euch ein farbenfrohes Wochenende

Eure

Werner und Helga


P. S. In Kürze folgt ein weiterer Eintrag, der vermutlich wieder nicht per Mail angekündigt wird.

 

Stille, Serpentinen, Stadt der Esel und Bagdad Café

Samstag, 31.10.2015

Guten Morgen, Guten Abend, Guten Tag!

Vorab noch ein Nachtrag zu Las Vegas - mit nostalgischen Grüßen nach Neuseeland: Im Fahrstuhl des Hotels lief tatsächlich „MMMBop“ von Hanson. Remember? :D

Nach unserem Abstecher nach Las Vegas geht es wieder zurück Richtung Route 66. Als wir von Ferne den Lake Mead sehen, fahren wir spontan in den Canyon hinab und machen an diesem idyllischen Fleckchen Erde eine Frühstückspause. Wie gut die Stille tut!

Man sieht, wie niedrig der Wasserstand ist 

Zurück auf der Route 66, fahren wir zunächst irrtümlich in die falsche Richtung – nach Osten. Wir bemerken den Fehler zum Glück schnell und kehren um.
Mehrere sogenannte Washs, das sind trockene Flusstäler in der Straße, kreuzen ab hier für die nächsten zig Kilometer die Straße. Bei heftigen Regenfällen irgendwo weit weg im Gebirge können sie die Straße überfluten und dürfen dann nicht durchfahren werden. Bei besonders tiefen Tälern warnt ein Schild vor DIP – dort sollte man ganz langsam fahren. Wir jedoch haben mal wieder Sonne satt.
Die Gegend ist einsam, wirkt verlassen.

Wir haben den Eindruck: Wer hier in diesen Tälern wohnt, will mit der Welt nichts zu tun haben. Es gibt weit und breit nichts außer der Natur. Offenbar waren hier früher Goldminen in Betrieb, jetzt ist nichts mehr davon übrig. Selbst die Berge in der Ferne sehen eigenwillig aus ;-)  

Wir machen Fahrerwechsel, und ich fahre eine der schönsten Strecken unserer Reise. Es geht durch die schwarzen Berge eine enge und kurvenreiche Passstraße hinauf. Mittelstreifen und Leitplanken gibt es nicht. Rings um uns eine wunderschöne Landschaft, die die Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis macht. Haarnadelkurven, nach denen sich immer wieder neue Ausblicke bieten. Es wird noch steiler und kurviger, einfach atemberaubend.

An einer Stelle sehe ich über uns im Hang die orangeroten rostigen Wrackteile eines Oldtimers liegen. Spontan fällt mir die denkwürdige Schluss-Szene des Films „Thelma und Louise“ ein. Dieses große, weite Land beflügelt immer wieder die Fantasie. Und der Tag ist noch nicht zu Ende.

What goes up, must come down – Nachdem wir am Sitgreaves Pass den höchsten Punkt mit 1.082 m erreicht haben, geht es wieder bergab. Den Tri-State-Lookout, von dem aus Arizona, Kalifornien und Nevada zu sehen sind, verpassen wir. Hier gibt es auch eine Goldmine, die noch bis 1998 in Betrieb war und jährlich mehr als 1.100 kg Gold förderte. Dann verfiel der Goldpreis, die Mine wurde geschlossen. Sollte er wieder steigen, wird die Mine bestimmt wieder in Betrieb genommen.

Die Minen und der wachsende Verkehr auf der Strecke machten den Ort Oatman, auf den wir am Ende der Passstraße treffen, zu einem blühenden Verwaltungs- und Handelszentrum.

Davon ist nichts mehr übrig. Heute gibt es hier vor allem - Esel!
Sie laufen quer über die Straße, bleiben stehen, wo es ihnen beliebt, sie stinken und haben Flöhe, und sie sind offenbar die Hauptattraktion hier, zusammen mit dem historischen Oatman Hotel, in dem man das Zimmer begucken kann, in dem Clark Gable und Carol Lombard ihre Hochzeitsnacht verbracht haben. Wollen wir das sehen? Nö.

Die Geschichte weiß darüber hinaus zu berichten, dass Clark Gable diesen Ort liebte und später immer mal wieder vorbei kam. Dann spielte er abends mit den Einheimischen Poker. Wir bummeln einmal durch "die Geisterstadt, die sich weigert, zu sterben", und in der man aus dem Stand heraus sofort einen Western vom Anno Schießmichtot drehen könnte, ohne auch nur eine Requisite herbeischaffen zu müssen. Alles da! Wir fotografieren, und das war es dann. 

Nett, die Bekanntschaft gemacht zu haben, bye-bye!

 

Weiter geht es nach Topock, wo wir den Colorado River überqueren. Am anderen Flussufer verläuft die Grenze zu Kalifornien.
Parallel zur Brücke sieht man die alte Route 66 Colorado Bridge, die seit 1947 für den Verkehr gesperrt ist und heute mit einer Gaspipeline versehen ist. Im Film „Früchte des Zorns“, so belehrt uns unser Route 66-Reiseführer, „fährt Familie Joad über diese Brücke. Wer seinen Steinbeck gelesen hat, kann vielleicht nachempfinden, mit welchen Gefühlen die Familie Joad beim Anblick des grünen Tals spontan im Colorado gebadet hat und warum Noah nicht mehr weiterfahren wollte.“

Hm, ich habe Früchte des Zorns nie gelesen, aber Werner kennt die Story und erinnert sich an die Szene. Aber ich entdecke auch etwas, das mich an die Heimat erinnert :D

Als wir die Reise vorbereitet haben, bin ich durch Zufall auf die Tatsache gestoßen, dass der Drehort eines meiner Lieblingsfilme „Out of Rosenheim“ mit Marianne Sägebrecht an der Route 66 liegt. Der Film lief auch in den USA, aber als Serie unter dem Titel „Bagdad Café“ mit Whoopi Goldberg in der Hauptrolle. Die Umgebung im Film gibt der Handlung einen stimmungsvollen, passenden Rahmen. Ich wollte unbedingt hin.

Nun sind wir da.


Wir kommen nachmittags an, parken den Wagen, steigen aus.

Es ist heiß, es ist still.

Eine Frau in meinem Alter und ein etwa sechsjähriges Mädchen kommen vom Hof herüber auf uns zu.
Wir: „Hallo“
Die Großmutter: „Hallo. Woher kommt ihr?“
Wir: „Aus Germany.“
Die Frau schüttelt uns die Hand (was die Amis eigentlich nie machen). Sie zuppelt an meinem T-Shirt (sehr ungewöhnlich, das muss man sich bei jemand Fremdem erst mal trauen) und sagt: „Hamburg.“
Ich bin verdutzt. Doch tatsächlich, ich habe heute mein T-Shirt mit „Hamburg“-Aufschrift an.
Sie öffnet uns die Tür, und beim Hineingehen frage ich, ob wir etwas zu Essen bekommen können. Sie bejaht und verschwindet.


Das Café ist leer, jedenfalls ist kein Mensch da. Ansonsten ist es voll. Alles vollgestopft mit Zeugs, Kram, Andenken.
Wir nehmen gegenüber der Theke Platz und lassen die Kulisse auf uns wirken.
Auftritt Urgroßmutter, die nicht nach Urgroßmutter aussieht: Eine spindeldürre, langhaarige Blodine in rockigen schwarzen Klamotten (Shirt, enge Hosen und Boots), die kaum zwischen all dem Gedönse auffällt, läuft geschäftig hin und her. Nur aus der Nähe sieht man, wie alt sie schon ist. Sie fragt unruhig, fahrig, ob wir etwas trinken wollen. Wir bestellen Cola und Brause, die sie schnell bringt.
Normalerweise kommt jetzt die Speisekarte. Oder man bekommt aufgezählt, was die Küche zu bieten hat und wird dann gefragt, was man essen möchte.
Auf der Tafel von Anno Siebzehnhundertundkrug über dem Tresen sind mehere Gerichte aufgelistet, doch nur hinter zweien stehen Preise: Burger oder „Philly-Steak“.


Wir überlegen, ob die resolute Frau Nummer Eins vielleicht schon eigenmächtig eine Bestellung aufgegeben hat. Nach dem Motto: „Essen bei Freunden – es gibt sowieso nur ein Gericht, also wird es aufgetischt.“
Jedenfalls herrscht in der Küche Betrieb, obwohl außer uns keine Gäste da sind.

Die Mutter des Mädchens:
Hinter dem Tresen sieht man in einer Lücke zwischen allerlei aufgetürmtem Porzellan in einer Art Durchreiche eine Frau mittleren Alters geschäftig agieren. Das heißt, eigentlich sieht man nur ihren gesenkten Kopf. Sie bewegt sich in hin und her, ist offenbar sehr beschäftigt. Es sieht aus, als ob sie eine Mahlzeit zubereitet. Oder zwei. Vielleicht für uns? Man hört Geschirrklappern.

Wir haben Zeit und nuckeln an den Strohhalmen. Die Urgroßmutter sortiert irgendwelche Sachen im Hintergrund.

Das Kind taucht wieder auf, es wirkt irgendwie verstört, turnt auf den Barhockern herum, mault wegen irgendetwas. Die Mutter ruft aus der Küche und weist das Kind zurecht.

Ich wandere in den Nebenraum und kippe fast aus den Pantinen vor all dem Plüsch und Tand und Trödel. Eigentlich wunderschöne Stücke, aber leider ist das meiste kaputt, verlottert, in Auflösung begriffen. Und doch wirkt es gleichzeitig, als bräuchte es nur ein paar Leute, die das Ganze mit Leben füllen, die sich in die Sitze fläzen, lachen und palavern. Man kann sich vorstellen, dass hier abends Karten gekloppt und Bier getrunken wird, dass man gemeinsam Sport im TV schaut und dass einer, der mal Musiklehrer war oder so, zu später Stunde keck den Klavierdeckel öffnet, flüchtig über die eingestaubten Klaviertasten pustet und dem alten Instrument ein paar lustige Töne entlockt. 

  Fans aus aller Welt haben hier T-Shirts hinterlassen, die an die Decke gepinnt wurden. Vielleicht deshalb das Gezuppel? 

Wir sitzen gegenüber der Theke, sinnieren und analysieren die Küchengeräusche. Wird da etwas für uns gebrutzelt? Aber wir haben noch gar nicht bestellt. Doch die Atmosphäre ist hier so wenig professionell, dass man durchaus meinen kann, dass das, was da augenscheinlich in der Küche zubereitet wird, für uns gekocht würde. Sind ja eh nur zwei Gerichte auf der Tafel.

Urgroßmutter segelt vorbei - durch ihre eigene Welt, als seien wir nicht da.

Das Kind turnt vorbei und meidet unseren Blick.

In der Küche wird gewerkelt.

Und dann wird es wirklich surrealistisch. Und ganz egal, ob wir etwas zu Essen bekommen oder nicht. Werner sagt noch: „Hier kann man sich nur noch zurücklehnen und zugucken, was passiert.“
Die Tür öffnet sich und ein Paar, das aussieht wie geradewegs einem französischen Film der neunzehnhundertsechziger Jahre entstiegen, tritt ein.
Sie setzen sich einander zugewandt auf die Barhocker an der Theke, ohne groß von ihrer Umwelt Notiz zu nehmen. Sich selbst genug. Urgroßmutter segelt vorbei, wird für ein kurzes abgehaktes Wortgeplänkel in ihrer Rastlosigkeit unterbrochen, dann haben beide eine Flasche mit Irgendwas in der Hand. Franzosen, ganz sicher.
Die Zeit steht still. Wir nuckeln an der Brause, alle sitzen in der französischen Filmkulisse, die beiden werfen sich leise wenige Stichworte zu. Wir sind die Statisten, gefangen in einer Filmszene, die nicht mehr aufhört. Die Franzosen sind ganz entspannt im Hier und Jetzt, Urgroßmutter wuselt umher, die Mama werkelt weiter emsig in der Küche, das Kind ist verschwunden, die Frau vom Anfang der Geschichte sowieso.
Sofern nicht gleich Marianne Sägebrecht zur Tür hereinkommt und den Knoten auflöst, werden wir hier noch in drei Jahren sitzen.
Irgendwann gleiten die Franzosen elegant vom Barhocker und gehen. Wir stehen auch auf und bezahlen bei Urgroßmutter, die sich nach kurzem Blick gen T-Shirt-Decke dunkel daran erinnert, was wir getrunken haben. Wenigstens kostet es ordentlich was! Man muss sich sonst ja Sorgen machen, wie das Vier-Frauen-Haus hier wohl zurechtkommen mag. Zumal, wenn sie ihre Gäste nicht zum Essen animieren...

Am Abend im Hotel vermisst Werner seine EC-Karte. Sie ist ihm vermutlich aus der Hosentasche gefallen.

Wir haben zwar im Bagdad Café bar bezahlt, aber ich rufe trotzdem dort an. Ich bin so neugierig auf dieses kaputte, beknackte, verrückte Café. Irgendwie erwarte ich, dass das Klingeln des Telefons ins Leere geht, dass das Café tatsächlich nur Filmkulisse ist, die abends abgebaut wird, ein Film, in der Gäste und Personal die Hauptdarsteller sind und jeden Tag ein anderer Film gedreht wird.

Doch obwohl es schon halb neun Uhr abends ist und das Lokal seit eineinhalb Stunden geschlossen hat, meldet sich nach kurzem Klingeln eine Männerstimme. Im Hintergrund höre ich ganz reale, laute Kneipengeräusche. Menschen reden durcheinander, lautes Stimmgewirr. Scheinbar erwacht das Café erst nach Geschäftsschluss zum Leben. Jetzt sind bestimmt die Plätze besetzt, und gleich beginnt der Ex-Musiklehrer auf dem Klavier zu spielen!

Der Mann an der Strippe ist sehr hilfsbereit und fragt: Wo wir saßen, wann wir da waren, welche Farbe die EC-Karte hat. Nach jeder meiner Antworten sagt er höflich: „Moment, bitte“, um dann die jeweilige Antwort in den Raum zu rufen: „Gegenüber der Theke“, „Am Nachmittag“, „Rot und weiß“. Nein, bedauert er dann, nichts gefunden.

Der Besuch im Bagdad-Café wirkt noch lange noch. Wieder so ein aus der Zeit gefallenes Erlebnis, wie so viele auf der Route 66.

Apropos: Unsere Reise auf der Route 66 nähert sich langsam dem Ende. Kein Grund, melancholisch zu werden. Eher ein Grund dafür, dankbar zu sein, so viel erlebt und gesehen zu haben. Aber es geht ja noch weiter. Wir werden berichten

In diesem Sinne

grüßen Euch

die ROUTiniers

Werner und Helga

Von Chicago nach L.A.

Dienstag, 03.11.2015

Moin Ihr Lieben!

Heute ist der letzte Tag unserer Tour quer durch Amerika auf der Route 66. Der Weg führt quer durch Los Angeles hindurch, und dort ist ungeheuer viel los, deshalb fahren wir nicht auf der Route 66, sondern durchqueren Los Angeles, die „Stadt der Engel“, auf der Interstate.

Fast 4 Millionen Menschen leben in L.A., dazu 13 Millionen in der Region ringsum und noch einmal 18 Millionen in der Metropolregion. Da fehlte uns die Lust, uns durch endlose Vorstädte und dann quer durch die Stadt zu quälen, von Ampel zu Ampel - „Wie ein nicht enden wollender Heidenkampsweg“, scherzt Werner. Unser Reiseführer-Autor schreibt, er hat für gut 100 km über fünf Stunden gebraucht. Also brausen wir zunächst durch San Bernadino. Wer kennt ihn nicht, den guten alten Gassenhauer von Christie „Ooooh, I'm longing foooor San Bernadino“

Südlich geht es vorbei an Pasadena – wem fällt da nicht das Pasadena Roof Orchestra mit „Putting on the Ritz“ ein? ;-)

Es wird immer städtischer, die Autobahn hat mittlerweile sechs Spuren plus Standspur – in jede Richtung!

Vor uns fährt ein „All American Handyman“. Der ist nicht etwa Mobil-Telefon-Verkäufer, sondern eine Art „Allroundhandwerker“. Im englischsprachigen Raum sagt man zu Mobiltelefonen „cell phone“, „Handy“ ist eine rein deutsche Erfindung. "Handy" bedeutet im Amerikanischen so viel wie geschickt, praktisch, nützlich. Die Waschmaschine benötigt einen neuen Wasserschlauch, der Wasserhahn im Garten tropft, die Schranktür schliesst nicht richtig – dann kommt der Handyman vorbei und richtet es. Manchmal stehen auch Leute an der Straße, die eine Pappe mit der Aufschrift „Handyman“ tragen und nach einer kleinen Gelegenheitsarbeit suchen. Dieser hier ist da schon sehr gut ausgestattet. Falls Ihr einen braucht: Telefonnummer steht hinten drauf.

Wir kommen gut durch, und gegen Mittag heißt es ein letztes Mal „Get your kicks on Route sixty-six.“ Vor Santa Monica biegen wir von der Interstate 10 auf die Route 66 ab, um die letzten Meilen standesgemäß zu beenden. So haben wir es öfter auf der Route gemacht: Wenn die Route 66 für uns nichts Interessantes zu bieten hatte und/oder direkt neben der Interstate verlief, haben wir den schnelleren Weg gewählt. Dort, wo schöne Orte, Landschaften, Gebäude zu erwarten waren, sind wir die Route gefahren.
Und dann sind wir da. In Santa Monica endet die Route 66. Vor uns liegt der Pazifik. Hinter uns liegen knapp drei Wochen, in denen wir viel ursprüngliches Amerika kennengelernt haben. Viele Kleinstädte, viele Menschen, die ihre Stadt, ihr „Dorf“ nie verlassen haben. Viele offene Blicke, öfter mal ein Lächeln. Durchweg haben wir eine freundliche, positive Grundstimmung, eine Art Haltung von „Leben und leben lassen“ angetroffen. Beeindruckt hat – wieder einmal - die unfassbare Weite des Landes, die den Menschen und der Natur viel Raum lässt (Wenn ich nur an die Weideflächen denke, die Rinder hier zur Verfügung haben – das müssen glückliche Viecher sein!). Die Häuser sind großzügiger gebaut, dafür weniger aufwändig als bei uns zuhause. Wir sahen auch viel Ärmliches, viel Zeugs, wir würden sagen Sperrmüll, in dem die Leute wohnen: Vollgestellte Terrassen vor kleinen Häusern, viele Menschen, die in mobilen Häusern leben, die man in der Mitte durchgeteilt auf zwei LKWs verladen und an anderer Stelle wieder aufstellen kann. Wenn ein Haus, ein Gewerbebetrieb nicht mehr benutzt wird, verlässt man ihn. Das Gebäude bleibt stehen und zerfällt, und niemand kümmert sich. Andererseits: Wenn hier etwas funktioniert, dann erfindet man nicht alle Jahre eine Neuerung, die man dann unbedingt erwerben muss. Oft gilt das Motto: "Funktioniert doch - warum dann erneuern?" oder auch "Never chance a running system" - Ändere nie etwas, das gut läuft.

Das Land ist groß, das Land ist weit. Platz für alles, Platz für jeden. Verzauberte Landschaften, karge „Geröllhalden“ (Werner zu den Bergen in der Wüste), Cowboy- und Indianerland, spanische Einflüsse in Architektur, Essen und Sprache, Holzhäuser im Ranch-Style, viktorianische Bauten, immer wieder Holz und – seltener – Backstein. In New Mexico Adobe-Stil, Häuser aus luftgetrockneten Lehmziegeln. Stille, sobald man am Wegesrand anhält. Richtige Stille ohne jedes Hintergrundrauschen von Autos, Zügen oder so. Man kann sich fast vorstellen, dass die Indianer,wenn sie auf leisen Sohlen unterwegs waren, das Geräusch jedes noch so kleinen Lebewesens wahrnehmen konnten. Schwarzes Lavagestein, das bis zum Straßenrand geht. Goldgräberland. Minen. Höhlen. Und immer wieder: Endlose Weite. Gespräche im Auto: „Siehst du den Berg dahinten? Da wollen wir hin!“ Es dauert manchmal Stunden, bis wir da sind (Werner: „Man kann quasi von Hamburg bis nach Cuxhaven gucken.“).
Und dann sind wir nach rund 4000 Kilometern in Santa Monica auf der Ocean Avenue am Ziel, an dem Punkt, an dem die historische Route 66 endet.
Ich steige aus dem Auto, und das erste, was ich wahrnehme, ist überraschenderweise der Geruch des Ozeans. Die ganze Zeit habe ich es nicht bemerkt, aber jetzt, wo ich nach so viel Trockenheit, Wüste und Prärie die überraschend feuchte, leicht salzige Luft einatme, merke ich, wie sehr ich das vermisst habe, wie gut das riecht, wie schön das ist. Das Meer ist wie ein Stück Zuhause, wie ein bisschen Heimat.

                  

Von Küste zu Küste, die Route von Chicago nach L.A. - Chicago, St. Louis, Joplin, Oklahoma City, Amarillo, Gallup, Flagstaff. Kingman, Barstow, San Bernadino. Wir waren überall, und vor allem in den vielen kleinen Orten dazwischen. Es war schön, manchmal auch anstrengend. Immer wieder neu, immer wieder anders. Aufschlussreich und interessant. So viel gesehen! So viel erlebt. Es hat sich gelohnt. Davon werden wir lange zehren.

Wir sind am Ziel. Wir haben es gemacht: Wir hatten unsere Kicks auf der Route 66.

 

 

Manhattan Transfer – (Get your Kicks) On Route 66

 If you ever plan to motor west,
Travel my way, take the highway that is best.
Get your kicks on Route sixty-six.

It winds from Chicago to LA,
More than two thousand miles all the way.
Get your kicks on Route sixty-six.

Now you go through Saint Louie
Joplin, Missouri,
And Oklahoma City is mighty pretty.
You'll see Amarillo,
Gallup, New Mexico,
Flagstaff, Arizona.
Don't forget Winona,
Kingman, Barstow, San Bernadino.

Won't you get hip to this timely tip:
When you make that California trip
Get your kicks on Route sixty-six.


Wir sind am Ziel der Route, aber es ist noch viel Urlaub übrig. Deshalb berichten wir hier im Blog in lockerer Folge davon, wo und wie es weitergeht. Also, bleibt uns gewogen!

Sonnige Grüße nach Hause und in alle Welt!

Love & Peace & Irish Fries


Werner und Helga

Und weiter geht's

Dienstag, 10.11.2015

Hallo Ihr Lieben,

hier kommt, nach einer Schreibpause, in der wir nur faul in der kalifornischen Sonne herumgelegen haben… ach nee, stimmt ja gar nicht... also nochmal:

Nachdem wir die Route 66 in Santa Monica, Kalifornien, beendet haben, stellte sich die Frage: „Was machen wir in den rund sieben Wochen, die noch vor uns liegen?“ In Kalifornien bleiben und, wie schon vor zwölf Jahren, die fantastische Küstenstraße „Pacific Highway No. 1“, eine der Traumstraßen der Welt, fahren, um noch einmal San Francisco, vielleicht auch Sacramento wiederzusehen? Oder in San Diego ein Apartment suchen und uns für den Rest der Zeit die Sonne auf's Gehirn scheinen lassen? …Aber irgendwie hatten wir die Trockenheit und Kargheit der Landschaft satt.

Vom On-the-Road-Sein hingegen hatten wir noch nicht genug, der Bleifuß war noch nicht eingeschlafen, und auch das Schrittzähler-Männchen sah mit Freuden neuen Herausforderungen und möglichen Höhepunkten entgegen - warum also, so die Idee, nicht die Route in entgegengesetzter Richtung von West nach Ost fahren? Dann aber weiter südlich, wo noch einige neue, unentdeckte Orte erkundet werden wollten und am Ende nicht Chicago, sondern die sonnigen Strände Floridas locken.

Also ging es nach einer kurzen Pause weiter. Von Kalifornien zurück über Arizona, New Mexico, Texas, und dann an der Küste des Golf von Mexiko entlang durch Louisiana und Alabama bis nach Florida, wo wir inzwischen gelandet sind. Die Strecke war, mit Pausen an interessanten Orten, gut zu fahren, denn diesmal sind wir ausschließlich auf dem Freeway unterwegs gewesen. Und wir (und das Männlein) hatten Erlebnisse, die wir nicht missen möchten: Ob auf dem stimmungsvollen Riverwalk in San Antonio/Texas, im heißen New Orleans/Louisiana, oder beim Seafood-Festival in Apalachicola an der „Vergessenen Küste“, einem verträumten, naturbelassenen Stück floridianischer Golfküste, wo wir das vergangene Wochenende verbrachten. Von alledem demnächst mehr.

Zunächst jedoch Ventura und Santa Barbara.

Nachdem wir der Route 66 „Bye bye“ gesagt haben, gönnen wir uns ein sehr komfortables Wochenende an der kalifornischen Pazifikküste. Der Ort unserer Wahl heißt Ventura. Er liegt nicht weit von Santa Monica und Santa Barbara, und wir kennen ihn schon von unserer früheren Reise. Diesmal steigen wir im Hotel nebenan ab – wie damals haben wir einen schönen Balkonblick auf den Yachthafen.

(wie immer: zum Vergrößern auf's Bild klicken)

Vor zwölf Jahren sind wir auf der Durchreise durch Santa Barbara gefahren und hatten uns vorgenommen, den Ort noch einmal gründlich zu erkunden, sollten wir noch einmal hinkommen. Und nun ist es soweit. Bei nach wie vor – was haben wir für ein Glück! - strahlendem Sommerwetter suchen wir uns am Rand der Innenstadt einen Parkplatz.

Santa Barbara war ursprünglich ein Missions-Ort, gegründet von einem spanischen Franziskanermönch im Jahre 1786, die Kirche wurde von Franziskanern erbaut. Die Glocken der Missionskirche läuten in dieser Stadt seit mehr als zwei Jahrhunderten.

"Mission Santa Barbara01" by Bernard Gagnon - Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Commons - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mission_Santa_Barbara01.jpg#/media/File:Mission_Santa_Barbara01.jpg

(Für Musikfreunde: Im Song „California (There Is No End To Love)“ von U2 sind die Mission Bells zu hören. Im Text wird auf Santa Barbara Bezug genommen, geschickt verwoben mit einer Art Hommage an „Barbara Ann“ von den Beach Boys)

Santa Barbara liegt zwischen dem Pazifik auf der einen und den Höhen der Santa Ynez Mountains auf der anderen Seite. Es hat seinen spanisch-mexikanischen Einfluss im Stadtbild erhalten. Heute ist es die teuerste Wohngegend der USA.

                          

Dieses Gebäude, das aussieht wie eine Kirche, ein wenig im Stil der spanischen Missionen, wurde 1931 als Filmtheater gebaut und dient noch heute demselben Zweck:

Immer wieder fällt unser Blick auf die dekorativ in das Pflaster eingelassenen Straßennamen. Das haben wir auch schon in anderen Innenstädten der USA gesehen, und wir fragen uns (und euch?), ob es das eigentlich auch in anderen Ländern gibt? Auf jeden Fall eine hübsche Idee.

In äußerlich recht schlichtem Gewand präsentiert sich das Granada Theater.

        

Hier wird nicht nur Theater gemacht, man kriegt gelegentlich auch was auf die Ohren: Zum Beispiel Mozarts „Don Giovanni“. Innen ist das Theater aufwändig gestaltet:

(das hier vorgesehene Foto möchte offenbar anonym bleiben ;-), es lässt sich jedenfalls nicht hochladen. Zu sehen ist es auf http://granadasb.org in der "Gallery"

Nanu, da muss man (auch in live) tatsächlich zweimal hingucken um festzustellen, dass sowohl Vater und Sohn als auch der Fensterputzer gar nicht echt sind:

     

Hier noch ein paar Fotos von der schönen Pazifikküste und von Ventura

 

Wir grüßen euch heute aus gegebenem Anlass mit einem Abendlied. Der Text ist von Matthias Claudius. Helmut Schmidt hat einmal erwähnt, dass er das Lied sehr mag, insbesondere die letzte Zeile (zum Hören anklicken):

Der Mond ist aufgegangen

 

Eure Roadies

Werner und Helga

            

 

 



Beige-Grün, UFOs und Norma

Mittwoch, 18.11.2015

Guten Morgen, guten Abend, guten Tag, liebe Freunde überall!

Hier kommt eine neue Episode aus unserem derzeitigen Leben.


An diesem Sonntag dudelt zum Hotelfrühstück leise „A little bit of Soul“ 

aus den Boxen, ein lang vergessenes Lied, das prompt Erinnerungen an prä-pubertäre Zeiten aus den Neunzehnhundertmittsechziger Jahren wachruft, als die Bands noch „Gruppen“ oder „Beatbands“ hießen und „Beatmusik“ machten.

Wir verlassen Ventura und lavieren uns durch den - für eine Riesenstadt wie Los Angeles einigermaßen flüssigen - Wochenendverkehr. Yeah! Wir sind wieder on the road, aber ab jetzt heißt es nicht mehr „Go West“, sondern es geht ostwärts. Auf der Gegenfahrbahn entdecken wir übrigens „mal wieder“ einen Werner, was sonst? ;-)

(Zum Vergrößern Fotos wie immer anklicken)

   

Für amerikanische Verhältnisse wird hier sehr schnell gefahren. Erlaubt sind höchstens 50 Meilen pro Stunde (knapp 90 km/h), aber de facto wird man ganz fix zum Verkehrshindernis, wenn man mit weniger als 70 Meilen pro Stunde (knapp 113 km/h) unterwegs ist.
Ein letzter Blick aus dem Auto auf die Downtown, dann heißt es:

Bye bye, Hollywood Hills! 

Und bei der Gelegenheit stellen wir verwundert fest, dass wir nun schon zum zweiten Mal hier sind und noch nicht einmal den „Hollywood“-Schriftzug in live gesehen haben, na sowas!

Hinter LA wird es ruhiger, denn viele biegen ab ins Wochenendvergnügen zu den Stränden am Pazifik im Süden. Die Landschaft und Architektur in den Ausläufern der Stadt ist stark mediterran geprägt. Pinien, Palmen, heller Putz, Terrakotta. Nach zwei, drei Stunden Fahrt durch mehr oder minder bevölkertes Umland von Los Angeles hat uns die Wüste wieder.
Es herrschen trockene und heiße 93 Grad Fahrenheit, das entspricht etwa 33 Grad Celsius (im Schatten – den es hier nicht gibt). Gut, dass es Klimaanlagen gibt, und kein Wunder, dass in dieser unwirtlichen Umgebung kaum eine Pflanze überleben, geschweige denn gedeihen kann.

Stundenlang geht es durch sandfarbenes Gelände, "Rentner-Beige" nenne ich es. Die Berge und das spärliche blassgrüne, halbvertrocknete Buschwerk bieten dem Auge nur wenig Abwechslung. Zunächst beeindruckt noch die Höhe der Berge, dann fahren wir in eine langgestreckte Ebene hinein, in der kilometerlang dicht an dicht aufgereiht Windkrafträder stehen. Die Berge bilden hier Schneisen, und Schilder warnen vor plötzlich auftretendem starken Wind. Das Windkrafträder-Gebiet ist riesig, wir brauchen bestimmt eine halbe Stunde, bis wir durch sind.

 

              

Die Grenze zwischen Kalifornien und Arizona bildet der Colorado River. Arizona begrüßt uns mit Kakteengewächsen wie aus dem Bilderbuch.

Ansonsten ist alles wie gehabt: Es ist nichts los. Wir kommen sogar an einem Ort namens „Nothing“ vorbei, ohne es zu bemerken – ich entdeckte ihn später auf der Landkarte und googelte das hier:

„Die Verkehrsbetriebe von Arizona brachten am Ortseingang von Nothing ein Schild an, auf dem das Folgende zu lesen war: „Die Stadt NICHTS, gegründet 1977, Höhe ü.d.M. 3269 Feet. Die treuen Bürger von Nichts sind voller Hoffnung, Vertrauen und Glauben an das Arbeitsethos. All die Jahre lang glauben diese überzeugten Leute an Nichts, hoffen auf Nichts, arbeiten an Nichts und für Nichts.“
Na, wenn das NICHTS ist!
Bei der Gelegenheit fällt mir ein, dass man in Hamburg in der Innenstadt ganz früher mal ein Getränk (ich glaube, es war Schnaps) namens „Nichts“ kaufen konnte. Den brachte man Leuten mit, die sagten, man solle „Nichts“ schenken/zur Party mitbringen... :D

Werner sagt, das Land hier ist als UFO-Land bekannt. Mystery-Serien aus aller Welt bedienen die Fantasie derer, die an UFOs glauben, indem sie alte Legenden immer wieder aufwärmen. Ein Stück weiter auf unserer Strecke, in Roswell, gab es vor 70 Jahren den sogenannten „Roswell-Zwischenfall“.

Ein Mythos, der einfach nicht totzukriegen ist.

Andererseits: Ich kann mir gut vorstellen, dass wohl selbst der Vernünftigste, wenn er seine Zeit ständig zwischen diesen kargen, beige-grünen Geröllhaufen ohne jede Abwechslung zubringen muss, schon allein aus lauter Langeweile hin und wieder eine „Vision der anderen Art“ bekäme. Oder wie sonst lässt sich erklären, dass ich abends, als ich unsere Fotos auf den Rechner übertrage, vier höchst verdächtige Lichtpunkte entdecke, die sich neben einem schmalen weißen Streifen auf den blauen Himmel an die obere Kante eines unserer Fotos geschmuggelt haben. Ganz klar: Die Lichter eines eckigen UFOs! Und was bedeutet es wohl, dass auf einem weiteren Foto der Riesenkaktus genau auf einer Linie mit dem UFO steht? Sehr mysteriös! ;D... ;-)

 

Schließlich wird es städtischer, wir nähern uns einer Großstadt: Phoenix, Arizona. Und schon wieder kreuzt ein seltsames Objekt unseren Weg. Die kugelige Kirche „Iglesia La Luz Del Mundo“ trägt doch tatsächlich eine Krone!

Am Abend finden wir ein einfaches Motel, das billigste unserer ganzen Reise. Hinter dem Tresen an der Rezeption, die eigentlich keine Rezeption, sondern eher ein winziges Häuschen mit einem Regal, einem Drucker, einer Kasse und einem Tischchen mit Kaffeemaschine ist, steht Norma und nimmt sich Zeit für jeden Gast. Dass sie Norma heißt, entnehme ich dem Schild auf ihrer Bluse. Norma sieht aus wie ungefähr siebzig, man merkt: Sie hat alles im Griff, und sie trägt augenscheinlich eine etwas zu große Perücke. Aber die braunen kurzen Ringellocken passen perfekt zu ihrer Augenfarbe und zu ihrem kleinen Trollgesicht.
Den Mann in abgetragener Arbeitskleidung vor uns fragt sie gerade nach seinem Auto-Kennzeichen. Er sagt „Moment“, geht zur Tür hinaus, liest die Nummer ab und kehrt zurück – hat aber die Hälfte vergessen. Nochmal 'raus, wieder nachgucken, wieder zurück. Doch die letzte Ziffer fehlt, sie hat sich offenbar auf dem Weg – drei Schritte'raus, drei wieder 'rein – aus seinem Kurzzeitgedächtnis verflüchtigt. Also nochmal das Ganze. Dann sagt er „3“ und entschuldigt sich. Darauf sie: „Das macht gar nichts, mein Lieber, Sie hatten bestimmt einen langen Arbeitstag“. Das erleben wir immer wieder – diese freundliche Art, harmlos im besten Sinn, freundlich und nie überheblich, ungehobelt oder gelangweilt.

Als wir dran sind, kommen wir über dies und das ins Gespräch. Nebenbei erledigt sie die Eincheck-Formalitäten. Es ist üblich, eine Kreditkarte vorzulegen, außerdem muss man einen Identitätsnachweis mit Foto zeigen sowie Automarke, Farbe und Kennzeichen angeben.
Norma wirft einen Blick auf Werners Geburtsdatum auf seinem Führerschein und verrät uns, dass sie 1930 geboren, also 85 Jahre alt ist – echt nicht zu glauben! Dann fragt sie, ob wir Haustiere dabei haben. Ich verneine. Sie scherzt mit Blick auf Werner: „Er vielleicht?“ Als ich auf ihre Frage, ob wir einen oder zwei Zimmerschlüssel brauchen, „Einen“ antworte, lacht sie: „Also kurze Leine – ein Schlüssel kurze Leine, zwei Schlüssel lange Leine.“ Sie erzählt, dass sie seit 33 Jahren verheiratet ist. „Manchmal kommt es mir vor wie ein Tag, manchmal unendlich lang.“ Sie schafft es, dabei zu strahlen und gleichzeitig die Augen zu rollen.
Das Motel-Zimmer ist ganz anders eingerichtet als sonst üblich: Anstatt dunkler, schwerer Möbel und Teppichen finden wir eine Art einfachen Ikea-Stil und pflegeleichten Fußboden vor. Für uns ist es ok, es ist insgesamt sauber und geräumig. Die meisten Amis mögen es vermutlich überhaupt nicht leiden.

Wir haben gerade unsere Siebensachen sortiert, da klingelt das Telefon. Es ist Norma. Sie möchte wissen, ob alles zu unserer Zufriedenheit ist. Ja, antworten wir, bis auf das Bettlaken, da ist ein Fleck drauf. „Oh, das tut mir leid, Liebes – aber kein Problem“, entgegnet sie und bietet uns einen Zimmerwechsel oder ein frisches Laken an, das wir aber abholen müssten, weil die Hauswirtschaft leider schon Feierabend hat.
Ich lasse Werner von der Leine, und er apportiert ein frühlingsfrisches Laken ; )

Hinter dem Haus verfärbt sich der Himmel in zarten Pastellfarben.

Morgen geht es weiter, auf zu neuen Erlebnissen!

 P. S. Die Nachrichtensender im amerikanischen Fernsehen berichten seit den Anschlägen in Paris und den damit verbundenen Ereignissen in Europa und anderswo rund um die Uhr von nichts anderem. Arne, mit dem wir heute per Skype Kontakt hatten, sagt, dass es in Neuseeland nicht anders ist. Unfassbar, das alles.

Mir fällt dazu viel ein, aber das alles gehört nicht hierher. Nur eins: Ich möchte Joann Sfar, einen Karikaturisten des französischen Satire-Magazins Charlie Hebdo, zitieren:
“Freunde weltweit”, schrieb er in einem Cartoon und dankte den Menschen auf der ganzen Welt für die Unterstützung. „Es braucht keine Gebete oder Religionen, aber es braucht den Glauben an Musik! Küsse! Leben! Champagner und Freude!“


In diesem Sinne:
Feiern wir die Musik, Küsse, das Leben, die Freude! Den Begriff „Champagner“ möchte ich durch „Freunde und Familie“ ersetzen.

Es grüßen herzlich

Eure
Werner und Helga

Auf der Durchreise

Donnerstag, 19.11.2015

Wir verlassen Casa Grande früh am nächsten Morgen. Heute wollen wir nur „Strecke machen“, um unserem 1500 Kilometer entfernten Ziel, San Antonio in Texas, möglichst nahe zu kommen. Die Luft ist wieder heiß und trocken. An einem Berg prangt ein riesengroßes „A“.

In Tuscon, Arizona ist offenbar nicht viel los. Die Beatles sangen schon 1970 in ihrem Song „Get back“ von Jo Jo, der sein Haus in Tuscon verließ: „Jo Jo left his home in Tuscon, Arizona for some California grass“.

Mit dem Beatles-Song im Ohr ist es umso lustiger, ausgerechnet hier eine „McCartney Road“ zu entdecken (man beachte: das eckige Ufo verfolgt uns...)

Natürlich ist der Straßenname ein Zufall, denke ich. Schließlich sind wir schon durch Guadeloupe, Casablanca, Hanks Street, Bowie Road, Eastwood Drive und so viele andere Straßen und Gegenden mit berühmten Namen gefahren. Doch wie ich später herausfinde, benannte die Gemeinde die Straße tatsächlich nach Paul McCartney von den Beatles. Seine Frau Linda stammte aus Tuscon. Sie starb auf der Ranch, eine gute Stunde entfernt von hier, die Paul McCartney noch heute als Erinnerung für die Familie besitzt. Wer mal vorbeifährt und glühender Beatles-Fan ist – die Adresse lautet 14101 E Redington Rd Tucson, AZ 85749.

Irgendwo rechts von uns verläuft ziemlich nah die Grenze nach Mexico. Ein Grenzkontroll-Fahrzeug überholt uns.

Bald darauf ist der zweite Fahrstreifen gesperrt. Schilder fordern alle Fahrzeuge außer PKWs auf, rechts 'raus zu fahren. Offenbar werden die Fahrzeuge von den Grenzkontrollen durchgecheckt. Kurz danach verengt sich jedoch auch die verbliebene Fahrspur, und alle PKWs müssen eine Kontrolle passieren. Ich fahre langsam, halte beim Grenzbeamten an. Er sagt, wir können passieren. Etwas später, bei El Paso, befinden wir uns in New Mexico.

Wir hatten schon einmal auf dieser Reise eine Kontrolle, und zwar beim Übergang von Arizona nach Kalifornien. Die Kalifornier sind offenbar sehr empfindlich, was die Einfuhr von verschiedenen Lebensmitteln (und Drogen?) betrifft. Jedenfalls hat das Kalifornische Landwirtschaftsministerium einen Checkpoint eingerichtet, an dem eine Beamtin uns fragte, ob wir aus Ohio kommen. Da unser Nummernschild im Staat Ohio ausgestellt wurde, antworte ich launig, dass das Auto aus Ohio kommt, und dass es sich um einen Mietwagen handelt – was ja die Frage nach unserer Herkunft nicht beantwortet. Sie ließ uns ohne weitere Fragen passieren. Was das wohl sollte?

Vor Las Croces überqueren wir den Rio Grande, der hier im Tal fast kein Wasser mehr führt. Bei El Paso sind wir dann in wieder in Texas. Auf der Route 66 hatten wir den nördlichen Zipfel von Texas durchfahren, jetzt sind wir im mittleren Westen von Texas und fahren gen Südosten.
Im schwindenden Tageslicht färbt sich der Himmel vor uns im Osten in zartem Rosé und Hellblau, während hinter uns im Westen der Horizont in gelb-orangenes Licht getaucht ist. Ein langer, langweiliger Tag auf der Autobahn neigt sich dem Ende zu.

Wir landen hungrig und müde in einem Ort namens Fort Stockton, der sich „die netteste Stadt von Texas“ nennt, und fahren den „Prachtboulevard“ entlang auf der Suche nach einem Lokal, das möglichst keine Kette ist und mehr als Burger zu bieten hat. Schließlich entdecken wir ein uriges Steakhouse. Im rustikalen Gastraum sitzen viele Familien, Paare, ein paar ältere Einzelpersonen. An der hufeisenförmigen Bar amüsieren sich Einheimische, es wird geflirtet und getrunken. Ein großer Bildschirm überträgt ein American Football-Spiel. Der Lärmpegel ist hoch, die Ventilatoren an der Decke drehen sich. Auf der Speisekarte heißt es nicht schnöde „Seniorenteller“, sondern „For the young at heart“ - „Für die Junggebliebenen“.
Der Lokalmatador, ein tätowierter Mittdreißiger mit Muskeln, die nach viel Training aussehen, betritt die Szene und wird an der Bar allseits mit großem Hallo begrüßt, bevor er sich in eine ruhige Ecke zu seinen Kumpels verzieht. Gelegentlich dröhnt ein donnerndes Lachen herüber. Überhaupt, es macht zuweilen den Eindruck, dass sich hier in Texas der Mann noch als Cowboy-Held wähnt. Während die Älteren das eher durch die Kleidung mit karierten Hemden und Cowboy-Hüten ausdrücken, sind die Jungen auffällig oft tätowiert, tragen ihren Bizeps in engen Muskelshirts zur Schau und fahren mit quietschenden Reifen von der Ranch - pardon, von der Tankstelle. Was sollen sie sonst auch machen in den Dörfern, in denen es nichts gibt außer Kirche, Tankstelle, Restaurants und ein paar Supermärkten?  Man kann sie sich alle, ob alt oder jung, in diesen brauen, ledernen Cowboyhosen plus Fransen-Weste und Colt-Gürtel vorstellen, wie sie raumgreifend und o-beinig staubige Landstraßen entlang wandern und Zäune reparieren oder wildgewordene Kühe mit dem Lasso einfangen.

Naja, vermutlich ist das ein klägliches Vorurteil, genährt durch die Filme der Kindheit von „Bonanza“ bis „Spiel mir das Lied vom Tod“. Es laufen ja auch nicht alle Bayern mit Kniebundhose und Hut mit Puschel dran herum... Aber recht typisch fand ich an einem Tankstellen- „Restroom“ die Aufschrift an der stählernen Männer-Klotür: „Diese Tür lässt sich nur sehr schwer öffnen. Hau ordentlich drauf!“ Das Damen-Klo daneben hatte genau die gleiche Tür, da stand aber nix dran, und mit etwas Druck ging sie dann auch auf...

Nach dem Essen suchen wir uns ein Hotel und sinken todmüde ins Bett.

Morgen sind wir in San Antonio. Werner will da unbedingt hin. Ich habe keine Ahnung von der Stadt und erwarte nichts Besonderes. Im Gegenteil: Eigentlich habe ich für dieses Jahr genug von großen Städten. Aber San Antonio überrascht mich...

Bis demnächst

seid gegrüßt

von den Kilometerfressern

Werner und Helga

 

 

 

San Antonio, Texas - Down By The Riverside :D

Freitag, 27.11.2015

Moin nach überall,

da sind wir wieder. Heute geht’s nach San Antonio.

Ich konnte mir nichts unter dem Namen vorstellen, dachte, als ich las, dass dort 1,4 Millionen Menschen leben, keinesfalls an lauschige Spaziergänge am Wasser - aber:

Hach, das Beste an San Antonio ist der Riverwalk, der ist sooo schön! In meinen Aufzeichnungen steht: „Der dschungelige Riverwalk ist ein stimmungsvolles Erlebnis bei Tag und bei Nacht.“

Der Riverwalk führt mitten durch die Stadt - eine Promenade, die am San Antonio River entlangführt. Man bummelt auf Flussniveau quasi unterhalb der Innenstadt. Wir hatten das Glück, dass wir quasi aus unserem Hotel nur eine kleine Straße überqueren und eine Treppe hinuntersteigen mussten, und schon waren wir am Flussufer.

Der Riverwalk hat von allem etwas - von Hamburgs Fleeten und Kanälen, von romantischen italienischen Brücken und lauschigen Hinterhöfen, umgeben von üppiger tropischer Pflanzenpracht mit Springbrunnen und Wasserfällen. Dazwischen Bars, Restaurants, ein Irish Pub mit ab und zu Live-Musik und leckerem "Shepherds Pie", den Werner sich bestellt hatte, während ich an meiner Brot-Käse-Irgendwas-Fehlentscheidung herumkaute. Ein Hard Rock Café gibt es auch. Sie alle haben je einen Eingang am Riverwalk und einen oben in der Stadt. (Wie immer: Draufklicken vergrößert das Foto)

                  

               

Bootfahren kann man auch: Wenn das „Rio Taxi“ die karierte Flagge gehisst hat, einfach 'ranwinken, einsteigen, Ticket lösen.

Oder man bucht gleich eine Rundfahrt, dann ist auch ein „He Lücht“, pardon, ein Fremdenführer mit an Bord.

Er erklärt zum Beispiel die Legende, die sich um diese „Zwillings-Zypresse“ rankt:

Der Legende nach lauerte in diesem Baum am 7. Dezember 1835 ein mexikanischer Scharfschütze, der den texanischen Unabhängigkeitskämpfer Ben Milam erschoss.

Damals war Texas noch ein Teil des von Spanien unabhängig gewordenen Mexikos. Der mexikanische Präsident schaffte jedoch die alte Verfassung ab und ersetzte sie durch eine antiföderalistische, was weder den Mexikanern noch den Texanern gefiel.

Es gab Unruhen, die texanischen Siedler wollten von Mexiko unabhängig werden, und im Oktober 1835 begann die „Texanische Revolution“, an der Ben Milam teilnahm. Eigentlich hatten Milam und seine Leute den Befehl erhalten, ins Winterquartier zu gehen und San Antonio nicht anzugreifen.

Milam fand jedoch, dass das kontraproduktiv für die Bestrebungen der Texaner, Unabhängigkeit von Mexiko zu erlangen, sei. Er sprach den berühmten Satz - wer kennt ihn nicht? ;-) - : „Wer geht mit dem alten Ben Milam nach San Antonio?“ und fand 300 Gefolgsleute.Dort angekommen, lauerte jedoch bereits besagter Scharfschütze und setzte dem Leben unseres „Helden“ ein vorzeitiges Ende.

San Antonio und andere Orte wurden trotzdem erobert, doch bald danach wurde ein texanisches Fort überrannt und fast alle Verteidiger verloren ihr Leben in der berühmten – wer kennt sie nicht? ;-) - „Schlacht von Alamo“.

Dann jedoch übernahm General Sam Houston den Oberbefehl über die Armee von Texas. Er hörte vermutlich nie den Satz „Houston, wir haben ein Problem“, denn er führte seine Truppen zum Sieg über die Mexikaner.

Die Republik Texas wurde unabhängig, Sam Houston wurde ihr Präsident. Im Jahr 1845 wurde Texas schließlich 28. Bundesstaat der USA.

Wie auch immer, wir stehen in der Sonne in San Antonio unter dem alten Baum und freuen uns, dass alles so friedlich ist. Hier sind sogar profane Bauplanen gar lieblich beschriftet:

(Ich plädiere entsprechend für „Hamburg, meine Perle“ auf Hamburger Bauzäunen!)

Ein Freiluft-Theater gibt es auch. Es trägt den schönen Namen „Arneson Riverwalk Theatre“ :D Links vom River sitzen die Zuschauer, rechts befindet sich vor altem Gemäuer die kleine Bühne;

 

Ab und zu bieten sich vom Riverwalk aus Ausblicke auf die „Oberstadt“.   

1852, sechzehn Jahre nach der Schlacht von Alamo, bauten vier Brüder einer katholischen Kirchengemeinde, die ursprünglich aus Frankreich kam, dieses Haus im europäischen Stil:

Es diente zunächst als christliche Akademie, wurde erweitert und ausgebaut, war ab 1924 ein College und diente später als juristische Fakultät. 1966 kauften es zwei ehemalige Studenten und machten aus dem historischen Gebäude ein Luxus-Hotel. Man kann sich im Hotel melden, um vom Concierge eine geschichtliche Führung durch Gebäude und Umgebung zu bekommen.

Und immer wieder wird der spanische Einfluss sichtbar:

Noch eine Geschichte. Die deutschen Wörter „Volksfest“ und „Turnverein“ kommen darin vor:

Wir sind den Riverwalk gleich dreimal gegangen. Abends nach unserer Ankunft, am nächsten Vormittag und nochmal am Abend. (Zwischendrin haben wir kleinere Wehwehchen gepflegt.)
Abends, wenn alle bunten Lichter leuchten und Musik erklingt, entfaltet sich ein ganz anderer Zauber als am Tag, wenn man den Riverwalk im Licht der Sonne und unter den schattenspendenden Bäumen genießt.

Quelle: „Riverwalksanantonio“ von No machine-readable author provided. Darksecretgirl~commonswiki assumed (based on copyright claims). - No machine-readable source provided. Own work assumed (based on copyright claims).. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons -

Darüber haben wir gar nicht die anderen Dinge beachtet, die San Antonio interessant machen. Denn auch „oberirdisch“ kann die Stadt sich sehen lassen und hat viel zu bieten. Egal, ich könnte noch eine Woche in San Antonio verbringen und würde trotzdem nichts anderes machen als morgens, mittags und abends den Riverwalk entlang bummeln.
Aber neue Ziele warten auf uns - es geht weiter: Nach New Orleans.


Eigentlich macht es gar keinen Spaß mehr, hier youtube-Videos zu posten, denn die Gema verhindert offenbar fast jede Internationalität, was Deutschland betrifft. Ich versuche es trotzdem nochmal mit „River of Time“ von Van Morrison

Und was macht ihr Daheimgebliebenen so? Seid ihr fleißig am Plätzchen backen, Weihnachtslieder üben, Kerzen anzünden, Adventskranz basteln, auf den Weihnachtsmarkt gehen, Glühwein trinken?

Wir grüßen nach N S W E

Eure Werner und Helga

 

Südstaaten-Feeling

Freitag, 04.12.2015

Hallo nach Norden, Süden, Westen, Osten!

Bevor es weiter geht in Richtung New Orleans, hier noch ein paar Fotos von San Antonio (Auf's Foto klicken vergrößert - wie immer)

                          

      

 

Mosaike und Wandbilder im Hotel. In den Fluren hängen historische Bilder:

Hinter San Antonio wird die Landschaft endlich, endlich wieder grüner. Flüsse, saftige Wiesen. Das Grün der Bäume und Sträucher am Wegesrand ist Labsal für die Augen. Ein Werner ist natürlich wieder dabei, und auch die LKW-Huckepack-Zugmaschinen begegneten uns schon öfter auf unserer Reise.

Wir kommen an den Orten Schulenburg und Weimar vorbei. Bei Houston, Texas, geht es rechts ab gen Süden nach Galveston – wer kennt ihn nicht, den schmachtenden Country-Song „Galveston“ von Glen Campbell.

Aber Nein! Wir wollen ja gar nicht nach Galveston, wir fahren immer schön geradeaus durch das Autobahngewirr von Houston.

                        

Hinter Houston spürt man zum ersten Mal die Nähe des Golfs von Mexiko. Üppiges Grün, ringsum Wasser, Flussläufe, und gleich neben der Interstate beginnen die ausgedehnten Swamps (Sümpfe) mit ihrer unberührten Natur. Man sieht wieder Adler am Himmel über den hohen Kiefernwäldern, die uns bis weit hinein nach Florida begleiten werden. Am Straßenrand stehen die ersten „Gator“-Schilder. Alligator-Land beginnt :D.

    

Als wir an einem Rastplatz aus dem wohltemperierten Wagen steigen und die Umgebung „erschnuppern“, fühlt es sich ein bisschen so an, als wären wir erst jetzt, nach 6600 Flug- und gut 9000 Fahrkilometern, so richtig „angekommen“. Schwül-warme Luft, Stille, Langsamkeit, Schlichtheit und üppige Fülle zugleich – das aus der Zeit gefallene, träge Südstaaten-Feeling umfängt uns und zaubert ein Lächeln auf unsere Gesichter. „Wider than a smile.“ Schwer zu beschreiben :D
Doch irdische Bedürfnisse machen nicht vor euphorischen Gefühlen halt. Wir müssen mal. Der Ladies Restroom ist passend zur Stimmung so schön, dass ich ihn sogar fotografiere:    

 

Vor Sonnenuntergang wechseln wir vom Bundesstaat Texas nach Louisiana.

Louisiana hat zwei Beinamen: „Pelican State“ wegen des Wappenvogels und „Bayou State“ – was soviel wie „sumpfiges Gebiet“ bedeutet. Im Autoradio hören wir, wie passend, Creedence Clearwater Revival mit „Born on the Bayou"

Und da wir gerade dabei sind: Wer denkt bei „Louisiana“ nicht an die berühmten „Cotton Fields“?

Der Tag neigt sich dem Ende zu, und nach einem leckeren Essen mit passender Zydeco/Cajun-Musik-Untermalung in diesem Lokal 

übernachten wir in Breaux Bridge in der Nähe von Lafayette. Das Zimmer hat einen Fenstersitz, sowas hätte ich auch gern. Aber unsere deutschen Norm-Fenster sind dafür nicht gemacht.

Am nächsten Morgen bin ich schon um 6 Uhr wach. Das Hotel heißt „microtel“, und das Bett macht dem Namen Ehre, es ist etwas eng. Ich sitze am Fenster und gucke durch dicken Nebel auf den Hotelparkplatz. Den Pfützen nach zu urteilen muss es in der Nacht geregnet haben. Ein Ambulanzfahrzeug kommt. Nachdem ich geduscht habe, ist es wieder weg. Stattdessen stehen nun einige Arbeiter schweigend und fast reglos mit gesenkten Köpfen um ihren Pickup herum. Einer von ihnen guckt gelegentlich auf sein Handy. Nach einer langen Weile lösen sie sich von dem Wagen und gehen wieder an die Arbeit. Der Nebel lichtet sich nur langsam. Stoff für Geschichten.

Es ist nicht weit nach New Orleans. Wir sind im Gebiet des Mississippi Delta. Das Leben in Louisiana ist von zahlreichen Kulturen, Sitten und Gebräuchen geprägt, beispielsweise auch vom Voodookult. Noch heute ist der französische Einfluss spürbar, der sich u.a. in Ortsnamen und manchen französischen Wörtern bemerkbar macht. Aber auch zahlreiche indianische Namen lesen wir, zum Beispiel so wohlklingende wie Tanjipahoa oder Alatchafalaya.
Die Interstate führt teilweise wieder auf Stelzen über die Sümpfe. Im Wasser stehen Mangrovenbäume, die einzigen Bäume, die Salzwasser vertragen.

Beim Passieren von Baton Rouge denke ich an die Anfangszeile von Kris Kristoffersons / Janis Joplins „Me and Bobby McGee“, in der es heisst „Busted flat in Baton Rouge“. Ich dachte immer, da sei von einer Wohnung (flat) in Baton Rouge die Rede, aber nun, wo ich hier bin, gucke ich nach – und die Online-Übersetzung lehrt mich, dass es soviel bedeutet wie „Abgebrannt in Baton Rouge“.
Wir haben zum Glück noch Benzingeld und gestatten uns einen kleinen Umweg. Werner, der - wie immer - perfekt auf die Reiseroute vorbereitet ist, möchte über die „zweitlängste Brücke der Welt über Wasser“ fahren (die längste befindet sich in China). Sie führt über einen See, den Lake Pontchartrain, ist über 38 Kilometer lang und führt in Nord-Süd-Richtung direkt auf New Orleans zu.
Sie ist wirklich eindrucksvoll. Es ist, als führe man auf einer Straße über's Meer. Nachts, so denken wir uns, muss es noch viel schöner sein.

Am Ende der Brücke sieht man schon die Ausläufer von New Orleans.

Eigentlich ist New Orleans eine ganz durchschnittliche amerikanische Großstadt, aber natürlich zieht es jeden Besucher ins French Quarter. So stellt man es sich vor: The Big Easy! Leichtigkeit, Lebensfreude, Jazz, Kreolische Küche, alles mischt sich, amerikanischer, französischer und spanischer Kolonial-Baustil...
Wir fahren hinein und werden nicht enttäuscht. Es wird zwar viel gebaut, manches ist dem Zerfall nahe, aber die Schönheit überwiegt. Es gibt Verzierungen an den Häusern und Balkons in Hülle und Fülle, alte Bäume spenden Schatten, die Leute sind mit dem Rad unterwegs, ich sehe im Vorbeifahren Hängematten und Verandaschaukeln. Wir durchfahren ein kleines Wohngebiet, dass sich für Hamburger vielleicht am ehesten als lauschigstes Klein-Eppendorf mit französischer Anmutung beschreiben lässt.

             

Wir finden einen Parkplatz – 10 Stunden für 10 Dollar, da kann man nicht meckern. Und ab geht es durch die hübschen kleinen Gassen, die vielfach französische Namen tragen, stracks hinunter zum Mississippi, um an der Promenade entlang zu bummeln und ein wenig Hafenatmosphäre zu schnuppern. Schön ist er hier, der Ol' Man River.

          

Eine Fahrt mit dem Raddampfer machen wir nicht, auch wenn die Person ganz oben an Deck noch so schön in die Tasten haut und eine herrlich altmodische Melodie auf der Dampforgel produziert. Die Pfeifen solcher Orgeln werden nicht mit Luft, sondern mit Wasserdampf betrieben, und entsprechend sieht man, solange gespielt wird, ordentlich Dampf aus den Röhren aufsteigen.

    

Statt dessen gehen wir in ein Lokal, das Cajun-/Kreolische Küche auf der Speisekarte stehen hat. Werner bestellt Fisch, und ich, die ich sonst nicht besonders mutig bin, was das Ausprobieren von neuen Gerichten in Restaurants angeht, bestelle auf gut Glück ein 3-Sorten-Jambalaya. Zwar habe ich schon von den gut gewürzten Speisen gehört, weiß aber nicht, was genau mich erwartet. Allein der wohlklingende Name: Jambalaya! Das kann ja nur gut schmecken!
Ähem...ich kann ja nix dafür, dass schon wieder Creedence Clearwater Revival herhalten müssen, aber die haben nun mal den passenden fröhlichen Song – wer kennt ihn nicht?- mit dem Titel „Jambalaya“ im Repertoire ...

Das Lokal ist recht urig und gut besucht. Draußen wird ganz nach französischer Manier geparkt – Stoßstange an Stoßstange :D

                

Das Essen kommt, und es schmeckt gut. Man kann sich vorstellen, dass dies eine Art kreolische Hausmannskost ist. Die Grundlage ist jeweils Reis, auf meinem Teller einmal mit Fisch, einmal mit einer Art Fleischsud/leichtem Erbsensuppengeschmack, eins mit Pilzen und Hühnchenfleisch. Alles ein wenig schärfer gewürzt, als wir es so kennen. HIER steht, was Tante Wiki dazu sagt. Und so sieht es aus:

Dann geht es wieder raus in die Gassen des French Quarter. Die Luft steht, es ist sehr schwül und über 30 Grad heiß. Ein Geschäft verkauft Kostüme für den „Mardi Gras“, den hiesigen Fasching, der jedes Jahr mit Paraden, Musik und schrägen Kostümen gefeiert wird.Was Passendes für den nächsten Chorauftritt ist auch dabei:

In den Straßen spielen Bands auf Akkordeon, Kontrabass, Waschbrett und Gitarre.Ein Pärchen tanzt spontan dazu.

     

Man spielt Zydeco, einen Musikstil, der hier in Louisiana entstanden ist. Klickt mal HIER, dann hört ihr - so die Gema es will - ein Lied, das ihr garantiert kennt, sofern ihr alt genug seid, um euch an die 1980er Jahre zu erinnern ;-), es geht direkt in die Beine.

Apropos Beine: Wir bummeln in der Hitze durch die Gassen des Viertels. Bilder sagen mehr als Worte:

                       

Eigentlich wollten wir bis abends bleiben und noch einen Kneipenbummel dranhängen, aber wir sind völlig erschlagen von der Hitze und dem vielen Herumlaufen. Von der berühmten „Bourbon Street“ sind wir nicht besonders angetan. Ich finde ausgerechnet sie, verglichen mit all den Straßen ringsum, ziemlich unscheinbar und schäbig.

Mag sein, dass es anders ist, wenn die Lichter leuchten und aus jeder zweiten Kneipe Musik dringt. Aber es dauert noch Stunden, bis es dunkel wird, und mein Kreislauf macht mir zu schaffen. Es ist heiß und stickig. Wir traben erschöpft zum Auto, drehen die Klimaanlage hoch und fahren los.

Dieses ulkige Gebäude ist „Kermit's Schwiegermutter-Lounge“, eine Kneipe, deren jetziger Betreiber tatsächlich Kermit mit Vornamen heißt.

Bald hinter New Orleans beginnt der US-Bundesstaat Mississippi. Wir nehmen das erstbeste Motel in Gulfport, Mississippi. Kaum sind wir drin, braust ein Flugzeug direkt über uns hinweg. Ohrenbetäubend laut, ganz niedrig. Wir stellen fest, dass wir uns direkt in der Einflugschneise vom Biloxi/Gulfport-Flughafen befinden. Holla die Waldfee! Man kann quasi sehen, wie gut sich der Pilot unterm Kinn rasiert hat. Hoffen wir, dass hier nachts nicht geflogen wird. Und wenn, dann bitte nur ganz leise und mit ordentlich Zielwasser... ;-)

(Wie sich später herausstellt, beginnt die Landebahn keine zwei Kilometer vom Hotel entfernt).

Zu guter Letzt noch ein Song – das wunderbare „Love and Emotion“ von dem leider früh verstorbenen Willie DeVille, der die berühmten Worte sprach: „Du kannst nicht besser als echt sein“, und, fast noch schöner: "Ich lebe ja immer nur jetzt."

Morgen geht es weiter, die „vergessene Küste“ entlang nach Florida.

Euch ein Happy Weekend
(Hier regnet es seit 24 Stunden)

Eure
Werner und Helga

 

 

Die vergessene Küste

Donnerstag, 10.12.2015

Nachts herrschte Ruhe am Himmel, erst morgens fliegt wieder eine Maschine über uns hinweg.
Nach dem Frühstück im klimatisierten Frühstücksraum des Motels treten wir vor die Tür, und sofort beschlagen unsere Brillen. Die Luftfeuchtigkeit ist enorm hoch. Klimaanlagen in den Häusern und Büros sind in subtropischen Gebieten kein überkandidelter Luxs, sondern eine absolute Notwendigkeit. Man denke allein schon an den Schimmel, der sich ohne Kühlung in kürzester Zeit überall breitmachen würde. Warum sie allerdings oft so eisig eingestellt ist, dass man sich am liebsten eine Jacke überziehen möchte, wenn man IN einem Gebäude ist, das begreife ich nicht. Überhaupt - die Klimaanlagen: Sie röcheln, rattern, gurgeln, klappern. Manchmal sind sie auch ganz leise, aber viel zu selten. Zum Glück kann man sie abschalten. Sie sind Segen und Fluch zugleich, HIER in der WELT steht ein launiger Artikel darüber.

Von Gulfport, Mississippi, geht es auf der Interstate 10 immer an der Küste entlang. Ein Schild an der Bundesgrenze nach Alabama empfängt den Reisenden mit den Worten „Welcome to Sweet Home Alabama“ - „Sweet Home Alabama“ - wer kennt es nicht - ist ein Titel der Band Lynyrd Skynyrd, die einige großartige Südstaaten-Rocksongs geschrieben hat.

In Mobile, der größten Hafenstadt Alabamas, fahren wir weiter gen Osten über die zwölf Kilometer lange Jubilee Parkway Bridge. Eigentlich sind es zwei Brücken, je eine pro Richtung.

Foto von Altairisfar

Das Wetter zeigt sich heiter bis wolkig, zwischendurch gibt es einen kurzen Regenschauer. Um uns sind grüne Wälder und Sumpfgebiete. Nicht lange, und wir befinden uns in Florida.

       

Allerdings ist dies nicht das Florida von Disneyworld, Space Shuttle, Motoryachten, Cocktailbars und Palmenstränden, sondern die „Forgotten Coast“, der vergessene Küste, die Fischerdörfer, schmale, naturbelassene Mini-Strände, verblichene Holzhäuschen auf Stelzen in den Dünen, Fliegengittertüren, Schaukelstühle auf Holzterrassen und endlose Kieferwälder zu bieten hat. Den Satz „Welcome to the REAL Florida“ bekommen wir in den nächsten Tagen noch öfter zu hören. Er wird stolz ausgesprochen, man ist sich da sehr sicher. Und recht haben sie, man kann es angesichts der in jeder Hinsicht „natürlichen“ Umgebung nur bestätigen.
Keine Bettenburgen, keine großen Parkplätze, keine Prachtboulevards und Fast-Food-Ketten. Fast bin ich versucht zu sagen: Kein Plastik. Aber das wäre natürlich übertrieben. Trotzdem: Die Zeit scheint, wie schon öfter auf unserer Reise an den wirklich authentischen, nicht-touristischen Orten, stehen geblieben zu sein. Es ist wenig bis nichts los, umso besser kann man den Blick auf den Golf von Mexico genießen, zur Ruhe kommen, ausspannen.

Vorbei geht es an Orten mit Namen wie Orange Beach, Miramar -, Laguna- und Panama City Beach.

Vor etlichen Jahren waren wir schon einmal hier im „Pfannenstiel“, wie der nordwestliche Teil Floridas wegen seiner Form genannt wird. Daher freuen wir uns, dass wir wieder durch Mexico Beach kommen, einen kleinen Ort, in dem wir im lauschigen, im viktorianischen Stil erbauten „Driftwood Inn“ eine Nacht verbrachten.

Auch der Toucan Grill, in dem Werner das größte Steak aß, das ihm je serviert wurde, kommen wir vorbei. Schließlich lugt die Brücke durch die Landschaft, die uns an unseren Zielort Apalachicola bringen wird.

Der Name Apalachicola, von den Einheimischen kurz Apalach genannt, kommt vom Stamm der Apalachen, einer Untergruppe der Seminolen, und ist eine Kombination aus den Wörtern apalahchi, was „auf der anderen Seite“, und okli, was „Leute“ bedeutet. Wahrscheinlich bezog es sich auf den damaligen Standort „Leute von der anderen Seite des Flusses“.
Apalachicola liegt an einer Bucht des Golf von Mexico, in die der Apalachicola River mündet. Zu Zeiten des großen Baumwollhandels war dies eine der blühendsten Hafenstädte der Union, die bis 1821 den Namen Cottonton trug und durch eine britische Trading Post, eine Handelsniederlassung, gegründet wurde.

Normalerweise verirren sich nicht allzu viele Touristen hierher, aber es ist Freitag und – was wir nicht wussten - am Wochenende findet ein Seafood Festival statt, deshalb sind die Hotels und Bed & Breakfasts ausgebucht. Aber wir bekommen in einem Hotel den Tipp, es im Best Western am Ortsrand zu versuchen. Und wir haben Glück – gerade eben wurde ein Zimmer storniert, das wir sofort in Beschlag nehmen.

Ein erster Spaziergang führt uns entlang an wunderschönen Südstaaten-Häusern, kleinen Parks, verwunschenen alten Bäumen. Vor der Trinity Episcopal Church lädt ein Schild „Jeder ist willkommen“ zu einem Pfannkuchen-Frühstück am morgigen Sonnabend ein.


Foto: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Trinityapalachicola.jpg#/media/File:Trinityapalachicola.jpg

Hunger treibt uns schließlich zum Hafen, wo wir uns mit Blick auf den Apalachicola River bei Caroline's Riverdining ein leckeres Essen gönnen. Fisch, was sonst!

So gestärkt bummeln wir durch die Straßen in Hafennähe. Aus einer Kneipe schallt Musik, die Türen stehen offen, die Leute haben schon gut getankt, sie feiern und stehen bis auf die Straße. Ein Mann an der Gitarre singt tatsächlich gerade – juhu! - „Sweet Home Alabama“ und alle gröhlen mit.

An den nächsten beiden sonnigen, heißen Tagen genießen wir den Ort und die schöne Umgebung, beobachten bei einem weiteren Fisch-Essen, diesmal draußen bei angenehmer Brise, mit Fliegengitter ringsum und Ventilatoren an der Decke, eine Yacht beim Auslaufen, schwimmen im Pool, bestaunen Motorräder und gucken, was die Einheimischen beim Seafood Festival so machen – sie verkaufen an den Ständen alles mögliche Selbstgemachte und jede Menge Trödel,ein kleiner Trupp macht auf einer Terrasse Musik, die ganze Ortschaft ist auf den Beinen.

 

 

Die nächste Station unserer Reise ist Crystal River. Davon in Kürze mehr.

Bis dahin grüßen wir Euch herzlich

Eure

Werner und Helga

Crystal River

Dienstag, 15.12.2015

 

Apalachicola verabschiedet uns mit Dauerregen.

 

(wie immer vergrößert ein Klick auf das Foto)

Wir fahren an der Küste entlang nach Carabelle, wo wir vor vielen Jahren schon mal waren. Wir wohnten damals im Motel von Marlon Brando (nun ja, nicht ganz, aber der Motelbesitzer erinnerte uns sehr an ihn) und haben in Julia Mays Fischlokal gegessen. Aber das ist eine andere Geschichte. Motel und Lokal gibt es schon lange nicht mehr, aber der Ort ist noch immer so gemütlich-verschlafen wie damals. Und der Himmel weint.
Es regnet, es schüttet.

Seit Ventura, Kalifornien sind wir rund 3700 Kilometer immer Richtung Osten gefahren. Jetzt, auf der Höhe von Floridas Hauptstadt Tallahassee, biegen wir rechts ab – sprich, wir verlassen die „Forgotten Coast“. Ab jetzt geht es gen Süden, und wie auf Kommando klart der Himmel auf.
Vor Fanning Springs überqueren wir den Suwanee River, und mir kommt sofort das Lied vom „Suwanee River“ in den Kopf.

Spontan halten wir hinter der Brücke an einem kleinen Aussichtspunkt an und finden einen der vier Brückenbogen der Original-Brücke von 1934 vor. Als die Brücke damals fertig war, waren die Leute aus der Umgebung so begeistert, dass sie zur Feier des Tages auf der Brücke Square Dance tanzten.
Das Brücken-Schild, dessen Inschrift den Titel besagten Liedes „Way Down Upon the Suwannee River" trägt, ist auch noch original aus dem Jahr 1934.

Und auch hier sehen wir wieder schöne alte Bäume, in denen das in den Südstaaten überall gegenwärtige „Spanish Moss“, auf deutsch auch „Feenhaar“ genannt, hängt. Man sieht es sogar von Überlandleitungen hängen. Einer traurig-schönen indianischen Legende zufolge ist „Spanish Moss“ das Haar einer Prinzessin, die am Tage ihrer Hochzeit von Feinden getötet wurde. Der trauernde Bräutigam soll es abgeschnitten und in einen Baum gehängt haben. Der Wind trug das Haar fort und verteilte es so über das ganze Land...

Am Nachmittag kommen wir in Crystal River an. Dort hauen wir unsere restlichen Hotel-Bonus-Punkte, die wir in Florida im letzten Winter gesammelt haben, auf den Kopf, indem wir ein paar Tage lang kostenlos in einem schön gelegenen Hotel mit Bootsanleger und Pool wohnen. Glück gehabt, denn der Himmel ist grau und es regnet immer mal wieder, sodass wir nicht so viele Outdoor-Aktivitäten machen können, sondern lieber in der Nähe des Hotels herumstromern.


Lieblingsplätze und -aussichten:

Squirrels, die grauen amerikanischen Verwandten unserer deutschen Eichhörnchen, sieht man hier überall. Und die Mini-Geckos flitzen einem auch ständig vor den Füßen weg. Oder verirren sich auf Wasserschläuche, wie der hier:

Als am dritten Tag wieder die Sonne scheint, fahren wir auf Empfehlung der netten

Dame an der Rezeption dahin, wo der Pfeffer wächst, nämlich in das benachbarte Homosassa Springs zum Wildlife State Park. Homosassa bedeutet in etwa „wo der wilde Pfeffer wächst“ :D
Wir haben Ermäßigungs-Bons vom Hotel dabei, aber die brauchen wir gar nicht, denn heute ist der Eintritt frei. Per Boot geht es auf einer idyllischen Fahrt in den Park hinein.

Das Highlight dieses Ausfluges ist das Manatee-Observatorium. Hier kann man die friedlichen Manatees, auch Seekühe genannt, von ganz nah betrachten. In unserem Floridays-Blog vom letzten Winter gibt es einen Eintrag über diese tollen Tiere.

 

Auf unserem Rundgang begegnen uns noch andere große und kleine Tiere. Trotz der schönen, naturbelassenen Umgebung sind wir uns einig, dass wir Bär, Fuchs, Adler, Eule lieber in freier Natur wissen möchten als hier eingesperrt. Andererseits bietet so ein „Zoo“ natürlich (gerade auch Kindern) die Möglichkeit, Tiere aus der Nähe zu sehen, die man sonst nicht zu Gesicht bekommt.

Dagegen haben es die hier ausgesprochen gut :D

Am 11. November, dem Veterans Day, verabschieden wir uns von Crystal River und reisen weiter nach Fort Myers Beach. Für die nächsten fünf Wochen haben wir dort von unterwegs aus ein Apartment gebucht.

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Und damit bin ich mit den Einträgen auf diesem Blog in der Echtzeit angekommen. Heute ist der 16.12.2015, d. h. die fünf Wochen sind so gut wie um.

Wir hatten eine schöne, erholsame Zeit hier in Fort Myers Beach. Da sich die Aktivitäten hier nicht so sehr von denen in unseren FLORIDAYS vom letzten Winter unterscheiden, werde ich von hier nicht mehr so ausführlich berichten.

Am kommenden Freitag machen wir uns dann auf den letzten Roadtrip für dieses Jahr: In drei Etappen fahren wir die Ostküste hinauf zurück zum Ausgangspunkt unserer Reise, nach Newark.

Von dort aus geht es dann rechtzeitig zu Weihnachten zurück nach Hause.

Vorher melden wir uns aber auf jeden Fall noch von hier.

Einstweilen seid herzlich gegrüßt
von Euren Floridianern

Werner und Helga

 

 

Every Picture Tells A Story

Mittwoch, 16.12.2015

Hallo, Ihr Lieben!

Hier kommen Fotos von unserer Reise, die es aus irgendwelchen Gründen nicht in die vorherigen Einträge geschafft haben. Wie immer vergrößert ein Klick auf's Bild die Fotos.

                               

Da drin steckt tatsächlich ein Mensch, der winkt und hüpft und hampelt, um direkt an der Straße Werbung zu machen. Was muss der/die schwitzen!

                              

Fitness für Großmütter - ist das nicht toll?

     

Das amüsiert mich jedes Mal wieder: Der Wickeltisch in öffentlichen Toiletten heißt hier "Baby Changing Station", also wörtlich übersetzt "Baby-Wechsel-Station"  :D

 

 

Werbung für einen Fahrradverleih in Anlehnung an den Beatles-Song

"Baby, You Can Drive My Car"

 

 

 

Oben: Hier werden Mobilheime in allen Größen verkauft. Sie werden auf Tiefladern auf der Autobahn quer durch's Land transportiert. Ideal für Leute, die ein Eigenheim haben möchten, sich aber "normale" Einzelhäuser nicht leisten können. Grundstücke sind sehr groß ("Das Land ist groß, das Land ist weit") und sehr preiswert.

"Mietskasernen" gibt es am ehesten in den Vorstädten großer Metropolen. Und natürlich in  Großstädten.

           

 

Und immer wieder Motorräder, Oldtimer, Nummernschilder:

           

                   

 

"Just married"

   

            

                

Heavy Metal Thunder

Der schwarze Jeep war unser Leihwagen bis Fort Myers Beach, ab dann hatten wir den gleichen in Rot.

Das war's für heute. Morgen gibt es noch mehr.

Bis dahin seid gegrüßt von

Werner und Helga

 

 

Auf Wiedersehen in Germany

Donnerstag, 17.12.2015

Ihr Lieben,

unsere Reise neigt sich dem Ende zu. Morgen sind wir "on the road again". Wir fahren in den nächsten Tagen von Florida die Ostküste hinauf über Savannah und Richmond, vorbei an Washington und Baltimore zurück zum Ausgangspunkt unserer Reise. Wenn wir dort ankommen, haben wir insgesamt ca. 13.000 Kilometer zurückgelegt und 27 Staaten durchfahren, vier davon zweimal.

Aber es ging uns nicht darum, Kilometer zu schinden oder Bundesstaaten zu sammeln. Die Route 66 ist seit Langem ein Wunschziel gewesen. Eine alte kleine Straße, die auf keiner offiziellen amerikanischen Straßenkarte mehr verzeichnet ist. Umso reizvoller war es, diese historische "Mutter aller Straßen" einmal quer durch das ganze Land zu fahren. Man kann sagen, fern aller Touristenorte, denn die Route ist zu abgelegen und die Abschnitte sind zu lang, um nur mal eine Stippvisite dort zu machen. Die Menschen leben dort, wie sie immer gelebt haben. Wir trafen fast nur Amerikaner, und wir waren überwiegend in Dörfern und Kleinstädten unterwegs. Die großen Städte waren willkommene Abwechslungen. Aber insgesamt war das Small-Town-Amerika viel schöner, da unverwechselbarer.

Es war eine tolle Reise, besonders auch, weil dieses Land so unfassbar groß und weit ist. Hier hat man Platz.

Das Land ist groß, das Land ist weit.

Ich glaube, ich bin noch nie so viel zu Fuß unterwegs gewesen wie in diesem Urlaub.

Ein wunderbares Reiseland.

Dies ist unser letzter Eintrag. Die nachfolgenden Fotos sind alle aus Fort Myers Beach, wo wir die letzten Wochen verbracht haben.

Downtown Riesenbaum                    Spanish Moss Sonntagsmusik auf dem Marktplatz                  ein Lieblingsplatz                                            Eingang zum Naturschutzgebiet                                           Bootsgarage 0070                     Konzert

Theatervorplatz FMB

 

Diese Lampen beleuchten die Anlage, in der wir wohnen. Wir haben uns gefragt, wieso eine Seite abgedunkelt ist. Und wieso die Beleuchtung allgemein eher spärlich ist. Und warum auch die Balkonlampen nur schwaches mattgelbes Licht geben. Die Erklärung: Überall an den Stränden legen Schildkröten ihre Eier ab. Wenn es zu hell ist, verlieren die Tiere die Orientierung. In dem kleinen See auf dem Gelände haben wir zahlreiche Baby-Turtles beobachten können.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein komplett weihnachtlich geschmücktes Haus haben wir auch entdeckt. Leider sind die Fotos etwas unscharf geworden.

 

Euch allen ein frohes Weihnachtsfest!

Bis bald!

Mit herzlichen Grüßen nach überall

 Werner und Helga