Auf der Durchreise

Donnerstag, 19.11.2015

Wir verlassen Casa Grande früh am nächsten Morgen. Heute wollen wir nur „Strecke machen“, um unserem 1500 Kilometer entfernten Ziel, San Antonio in Texas, möglichst nahe zu kommen. Die Luft ist wieder heiß und trocken. An einem Berg prangt ein riesengroßes „A“.

In Tuscon, Arizona ist offenbar nicht viel los. Die Beatles sangen schon 1970 in ihrem Song „Get back“ von Jo Jo, der sein Haus in Tuscon verließ: „Jo Jo left his home in Tuscon, Arizona for some California grass“.

Mit dem Beatles-Song im Ohr ist es umso lustiger, ausgerechnet hier eine „McCartney Road“ zu entdecken (man beachte: das eckige Ufo verfolgt uns...)

Natürlich ist der Straßenname ein Zufall, denke ich. Schließlich sind wir schon durch Guadeloupe, Casablanca, Hanks Street, Bowie Road, Eastwood Drive und so viele andere Straßen und Gegenden mit berühmten Namen gefahren. Doch wie ich später herausfinde, benannte die Gemeinde die Straße tatsächlich nach Paul McCartney von den Beatles. Seine Frau Linda stammte aus Tuscon. Sie starb auf der Ranch, eine gute Stunde entfernt von hier, die Paul McCartney noch heute als Erinnerung für die Familie besitzt. Wer mal vorbeifährt und glühender Beatles-Fan ist – die Adresse lautet 14101 E Redington Rd Tucson, AZ 85749.

Irgendwo rechts von uns verläuft ziemlich nah die Grenze nach Mexico. Ein Grenzkontroll-Fahrzeug überholt uns.

Bald darauf ist der zweite Fahrstreifen gesperrt. Schilder fordern alle Fahrzeuge außer PKWs auf, rechts 'raus zu fahren. Offenbar werden die Fahrzeuge von den Grenzkontrollen durchgecheckt. Kurz danach verengt sich jedoch auch die verbliebene Fahrspur, und alle PKWs müssen eine Kontrolle passieren. Ich fahre langsam, halte beim Grenzbeamten an. Er sagt, wir können passieren. Etwas später, bei El Paso, befinden wir uns in New Mexico.

Wir hatten schon einmal auf dieser Reise eine Kontrolle, und zwar beim Übergang von Arizona nach Kalifornien. Die Kalifornier sind offenbar sehr empfindlich, was die Einfuhr von verschiedenen Lebensmitteln (und Drogen?) betrifft. Jedenfalls hat das Kalifornische Landwirtschaftsministerium einen Checkpoint eingerichtet, an dem eine Beamtin uns fragte, ob wir aus Ohio kommen. Da unser Nummernschild im Staat Ohio ausgestellt wurde, antworte ich launig, dass das Auto aus Ohio kommt, und dass es sich um einen Mietwagen handelt – was ja die Frage nach unserer Herkunft nicht beantwortet. Sie ließ uns ohne weitere Fragen passieren. Was das wohl sollte?

Vor Las Croces überqueren wir den Rio Grande, der hier im Tal fast kein Wasser mehr führt. Bei El Paso sind wir dann in wieder in Texas. Auf der Route 66 hatten wir den nördlichen Zipfel von Texas durchfahren, jetzt sind wir im mittleren Westen von Texas und fahren gen Südosten.
Im schwindenden Tageslicht färbt sich der Himmel vor uns im Osten in zartem Rosé und Hellblau, während hinter uns im Westen der Horizont in gelb-orangenes Licht getaucht ist. Ein langer, langweiliger Tag auf der Autobahn neigt sich dem Ende zu.

Wir landen hungrig und müde in einem Ort namens Fort Stockton, der sich „die netteste Stadt von Texas“ nennt, und fahren den „Prachtboulevard“ entlang auf der Suche nach einem Lokal, das möglichst keine Kette ist und mehr als Burger zu bieten hat. Schließlich entdecken wir ein uriges Steakhouse. Im rustikalen Gastraum sitzen viele Familien, Paare, ein paar ältere Einzelpersonen. An der hufeisenförmigen Bar amüsieren sich Einheimische, es wird geflirtet und getrunken. Ein großer Bildschirm überträgt ein American Football-Spiel. Der Lärmpegel ist hoch, die Ventilatoren an der Decke drehen sich. Auf der Speisekarte heißt es nicht schnöde „Seniorenteller“, sondern „For the young at heart“ - „Für die Junggebliebenen“.
Der Lokalmatador, ein tätowierter Mittdreißiger mit Muskeln, die nach viel Training aussehen, betritt die Szene und wird an der Bar allseits mit großem Hallo begrüßt, bevor er sich in eine ruhige Ecke zu seinen Kumpels verzieht. Gelegentlich dröhnt ein donnerndes Lachen herüber. Überhaupt, es macht zuweilen den Eindruck, dass sich hier in Texas der Mann noch als Cowboy-Held wähnt. Während die Älteren das eher durch die Kleidung mit karierten Hemden und Cowboy-Hüten ausdrücken, sind die Jungen auffällig oft tätowiert, tragen ihren Bizeps in engen Muskelshirts zur Schau und fahren mit quietschenden Reifen von der Ranch - pardon, von der Tankstelle. Was sollen sie sonst auch machen in den Dörfern, in denen es nichts gibt außer Kirche, Tankstelle, Restaurants und ein paar Supermärkten?  Man kann sie sich alle, ob alt oder jung, in diesen brauen, ledernen Cowboyhosen plus Fransen-Weste und Colt-Gürtel vorstellen, wie sie raumgreifend und o-beinig staubige Landstraßen entlang wandern und Zäune reparieren oder wildgewordene Kühe mit dem Lasso einfangen.

Naja, vermutlich ist das ein klägliches Vorurteil, genährt durch die Filme der Kindheit von „Bonanza“ bis „Spiel mir das Lied vom Tod“. Es laufen ja auch nicht alle Bayern mit Kniebundhose und Hut mit Puschel dran herum... Aber recht typisch fand ich an einem Tankstellen- „Restroom“ die Aufschrift an der stählernen Männer-Klotür: „Diese Tür lässt sich nur sehr schwer öffnen. Hau ordentlich drauf!“ Das Damen-Klo daneben hatte genau die gleiche Tür, da stand aber nix dran, und mit etwas Druck ging sie dann auch auf...

Nach dem Essen suchen wir uns ein Hotel und sinken todmüde ins Bett.

Morgen sind wir in San Antonio. Werner will da unbedingt hin. Ich habe keine Ahnung von der Stadt und erwarte nichts Besonderes. Im Gegenteil: Eigentlich habe ich für dieses Jahr genug von großen Städten. Aber San Antonio überrascht mich...

Bis demnächst

seid gegrüßt

von den Kilometerfressern

Werner und Helga