Bergfest – In der Mitte von Nirgendwo

Mittwoch, 21.10.2015

Halbzeit! Dies ist die Strecke, die wir bisher gefahren sind (Klick auf's Bild vergrößert wie immer)

    

Naja, eigentlich sind wir schon weiter, weil ich den Blog nicht tagesaktuell schreibe.

Ich sollte zwischendrin mal erwähnen, dass wir beide gern unterwegs sind. Die viele Fahrerei macht uns deshalb nichts aus. Wir wechseln uns oft ab und machen viele Pausen. Und wenn es doch mal zuviel ist, legen wir eine Schonzeit ein, in der wir einfach herumfaulenzen und gar nichts tun.

Die Temperaturen am zweiten Tag in Amarillo waren nur noch halb so hoch wie am Tag zuvor. In der Nähe des Ortes befindet sich der Palo Duro Canyon, dem wir einen Besuch abstatten, bevor wir den restlichen Tag nichts tun als faulenzen.

Frisch und munter machen wir uns am nächsten Tag wieder auf die Reise. Zunächst geht es in einen Autozubehör-Laden, um dort eine Dose Autolack zu kaufen, denn wir haben beschlossen, unter die Sprayer zu gehen.

Der Grund dafür ist die wenige Meilen von Amarillo entfernt liegende Cadillac-Farm.

Eine Künstlergruppe namens Ant Farm aus San Francisco hat dieses "Kunstwerk" erschaffen. Die Autos sind über und über mit Graffiti bemalt und ändern ständig ihr Aussehen. Besucher werden ausdrücklich ermuntert, ihre farbenfrohe Spur zu hinterlassen. Näheres dazu kann man hier bei Tante Wiki erfahren.

  

Wir merken schnell: Wir hätten Pinsel und Farbtopf mitbringen sollen, denn der Wind weht die Sprühfarbe überall hin, bloß nicht auf die Autos.

Aber wozu gibt es die Straße, die zur Cadillac-Farm führt? Dort haben sich schon etliche verewigt, denen es wohl ähnlich ging wie uns. Warum als nicht auch wir? Es ist gar nicht so leicht, unsere Initialen einigermaßen hinzubekommen.

Dann geht es weiter, auf den Spuren von weiteren Kicks.

Zunächst überschreiten wir die Grenze von Texas nach New Mexico, das den Beinamen „Verzaubertes Land“ trägt. Wieder eine neue Zeitzone, wieder eine Stunde „gewonnen“. Es ist, als überholten wir unsere Vergangenheit :)

Die Viehherden werden weniger, und Windräder sieht man hier keine mehr.
Am Midpoint Café in Adrian, Texas, machen wir Halt.

Hier ist die halbe Strecke der Route 66 geschafft, was dieses Schild bezeugen soll.

 

Ein Paar, das aus dem Café kommt, empfieht uns, unbedingt hineinzugehen, die Betreiber seien sehr freundlich und es gäbe „excellent food“. Wir haben zwar keinen Hunger, aber einen Tee und eine Brause trinken wir gern. Also hinein in die gute Stube – und damit direkt hinein in eine andere Zeit - in die pastellige Leichtigkeit der 50er/frühen 60er Jahre. „Strawberry Fields“ von den Beatles klingt aus den Boxen, und ich kann mich gar nicht satt sehen am Mobiliar und den Schildern an den Wänden. Zum Glück sind wir die einzigen Gäste, sodass ich ungestört Fotos machen kann.

Das Café scheint ein Familienbetrieb zu sein. Diese fröhliche Dame hier gehört dazu  

Als wir das Midpoint Café verlassen, trauen wir unseren Augen kaum. Draußen steht eine halbe Armada von Wohnmobilen. Die sind hier oft riesig, und manchmal hängt noch ein PKW hintendran. Man denkt, eine ganze Kleinstadt entert gleich das Café, aber den Riesengefährten entsteigen in der Regel bloß zwei Leute, meistens Oldies wie wir.

Wie elegant wirken dagegen die Oldtimer!

Die Landschaft verändert sich. Der Boden sieht trocken aus. Prärie, einfache Pflanzen kämpfen sich durch den harten Boden, Kakteengewächse, Präriegras.

Alles lässt sich nicht im Bild festhalten. Wir fotografieren sowieso schon ständig – und dann all die „Ahs“ und „Ohs“ und „Guck dir das an!“ Und immer wieder Staunen: So viel weites Land!

 In fast jedem Ort sehen wir großflächige Wandmalereien, die von der Geschichte des Landes und der Flora und Fauna erzählen, oft mit liebevoll dargestellten Kleinigkeiten. Auf diesem Landschaftsbild lässt sich die Schlange, die sich unter den Steinen versteckt, kaum ausmachen.

   

Wir steigen immer mal wieder aus und genießen die Stille. Man hört, wenn ein Käfer durchs Gras hüpft.

Dann geht es wieder durch kleine Orte. Das Blue Swallow Motel in Tucumcari findet in jeder Dokumentation über die Route 66 Erwähnung als wichtiges Wahrzeichen.

„Outlaw Tattoo“ Drive-In :) Was ist denn das? EinTattoo-Laden, bei dem man vorfährt, das entsprechende Körperteil 'rausstreckt und sich vom Tätowierer am Schalter im Schnellverfahren ein Tattoo stechen lässt? Und kriegen das nur Outlaws oder kann jeder, der will?

Die Eisenbahn begleitet uns auf der ganzen Tour. Mit endlos vielen Waggons...

Bis Santa Rosa, einer kleinen Stadt in New Mexico, kommen wir an diesem Tag.

Dort gibt es ein weiteres Highlight zu bestaunen: Das Blue Hole

Das Blaue Loch - ein Brunnen, der konstant ca. 16 Grad Wassertemperatur hat, ca. 24 m tief ist und einen ebenso großen Durchmesser hat, ist schon allein wegen seines ganz klaren Wassers sehenswert. Mehr als elftausend Liter Wasser fließen hier pro Minute durch. Man trifft hier viele Taucher.

Und eine Frau, die mutig ihre Runden schwimmt und uns zuruft, das Wasser sei „frozen“, also eiskalt. Witzigerweise entspinnt sich zwischen ihr da unten und uns da oben auf der Aussichtsplattform eine kleine Unterhaltung, in deren Verlauf sich herausstellt, dass sie eine Zeitlang in Deutschland gearbeitet hat und Hamburg recht gut kennt. Man glaubt es kaum. Irgendwo im Nirgendwo. Und selbst dort ist für Halloween geschmückt.

 

Zur Lockerung der Muskeln tut ein Bad jetzt wirklich gut, da trifft es sich, dass unser Motel einen kleinen Außenpool hat. Die Sonne scheint, es ist warm, doch die Frau, die mit ihren drei Kindern die einzige Besucherin ist, sagt auf Werners Nachfrage, das Wasser sei "frozen."  Ehe ich „brrrrrr“ sagen kann, hat er das Becken schon dreimal durchschwommen. Ich will nicht kneifen und stürze mich in das wirklich eiskalte Nass. Aber es ist, wie es immer ist: Erst bleibt einem fast die Luft weg, und schon nach einer Minute ist es herrlich, im Wasser herumzuschwimmen.

Der Song des Tages ist „Hurdy Gurdy Man“ von Donovan. Der lief auch im MidCafé.

(Leider sind einige Youtube-Videos in Deutschland offenbar nicht verfügbar, weil GEMA und Youtube sich bisher nicht auf eine Vergütung einigen konnten. Ich verlinke sie trotzdem, weil ich von hier leider nicht checken kann, was in Deutschland geht und was nicht.).

Euch einen schönen Donnerstag!

Fresh from the Road

Werner und Helga