Glitzerpaläste und Geldmaschinen

Freitag, 30.10.2015

Am Nachmittag verlassen wir bei Kingman die Route 66 und biegen nach Norden ab, denn wir wollen in das ca. 100 Meilen (ca. 160 km) entfernte Las Vegas. Werner ist natürlich auch wieder dabei.

Wieder fahren wir durch Indianerland. Die Landschaft wird karger. Wir befinden uns in der Mojave-Wüste, einer Regenschattenwüste. Regenschattenwüsten entstehen, wenn sie von Gebirgen umgeben sind, die die Wolken stauen und abregnen lassen, so dass für das Land hinter dem Gebirge kein Wasser mehr übrig bleibt. Sie ist nach dem Indianervolk der Mohave benannt. (Danke, Tante Wiki.)

An der Grenze der US-Bundesstaaten Arizona und Nevada stoßen wir nicht nur auf den Hoover-Dam, einer Talsperre, die den Colorado River zum Lake Mead staut, sondern sehen auch die erste Palmen unserer Reise :D

     

In höheren Lagen sind Steinböckchen unterwegs:  

Da möchte ich nicht Mitglied sein (und auch mit keinem zu tun bekommen)

Es ist Sonntag, und der Hoover Dam ist gut besucht. Fotos sind wegen der Größe der Anlage nicht sehr aussagekräftig, mehr gibt es HIER 

(Bild 3 von tripadvisor.de)

Die Talsperre wurde in den 1930er Jahren nach der Weltwirtschaftskrise, einer verheerenden Dürre im Westen der USA, und um die hohe Arbeitslosigkeit einzudämmen, gebaut. Inzwischen sinkt der Wasserspiegel des Lake Mead beständig, und im Südwesten der USA herrscht seit vielen Jahren eine Dürre.

Die Arbeiter, die an dem Bau beteiligt waren, und ihre Familien lebten im nahe gelegenen Boulder City. Glücksspiel und Alkohol war ihnen streng verboten. Das nur 50 km entfernt gelegene kleine Kaff Las Vegas (was soviel heißt wie „Die Auen“ oder „die Wiesen“), das 1905 an Spekulanten und Investoren verkauft wurde, nahm seine Chancen wahr, und die Besucher, auch aus Boulder City, strömten herbei. Glücksspiel war in Nevada bereits seit 1931 erlaubt. In den 50er Jahren erblühte die Stadt zusehends, gleichzeitig nahm der Einfluss der Cosa Nostra zu, deren Bosse in Miami oder Chicago saßen und von dort die Geschäfte steuerten. Dubiose „Geschäfts“praktiken skrupelloser Gangster sorgten dafür, dass der Ruf von Las Vegas lange Zeit weitgehend ruiniert war.
Erst in den 80er Jahren gelang es, durch große Zaubershows und musikalische Darbietungen ein breiteres Publikum anzusprechen und etwas „familienfreundlicher“ zu werden.

Soweit die Geschichte.  In Las Vegas finden wir schnell unser Hotel und sind auch flugs im riesigen Parkhaus, das zum Hotel gehört – und gleichzeitig zum Einkaufszentrum, das wiederum auch zum Hotel gehört. Das Gute daran: Wir finden schnell einen Parkplatz. Noch besser: Das Parken ist für die gesamte Zeit unseres Aufenthalts kostenlos. In Großstädten ist das nicht selbstverständlich, da werden, z. B. in New York City oder auch Chicago, schnell mal 10 bis 25 Dollar pro Tag extra nur für's Parken fällig. Das Dumme daran: Weil alles so riesig ist, laufen wir erstmal durch die halbe Shoppingmeile auf der Suche nach dem Eingang zum Hotel. Die ganze Zeit begleitet uns nervige Musik aus den überall gegenwärtigen Lautsprecherboxen. Vermutlich singt Britney Spears, die hier im angeschlossenen Show-Dingsbums einen 2-Jahresvertrag für ihre Las Vegas-Show hat. Über der Shoppingmeile: ein künstlicher Himmel.

Schließlich findet Werner die Hotelrezeption, nachdem er nicht nur die halbe Meile, sondern auch noch das zum Hotel gehörige mindestens fußballfeldgroße Casino durchquert hat. An der Rezeption angekommen gucke ich verstohlen nach meinem Schrittzähler-Männlein und wundere mich wieder mal, dass es noch nicht explodiert ist vor Freude. Der Boden unter mir wackelt sachte. Mein Kreislauf? Oder ist das alles hier auf Sand gebaut? ;-)
Unser Zimmer ist toll, besonders das Bad. Wir wohnen mitten im Zentrum im Hotel Planet Hollywood. Das klingt teuer, ist es aber nicht. Wenn man nicht gerade am Wochenende hier ist, bekommt man schon für 50 bis 80 Euro ein 4-Sterne-Zimmer mit allem Schnickschnack, z. B. Außenpool auf der 6. Etage und kostenlosem Parken. Das Geld machen die Hotels über ihre Casinos. Jedes Zimmer hat ein Film-Thema, unseres war „Basic Instinct“. Kenne ich nicht, den Film, aber im Zimmer gab es einige Mord-„Requisiten“ hinter Glas zu bestaunen.

Nach einer Verschnaufpause stürzen wir uns ins „Nachtleben“, was in unserem Fall bedeutet: Wir treten vor die Tür und bleiben erst einmal stehen. Menschenströme auf dem Boulevard. Lichter, gleißende Leuchtreklamen, Wärme. Palaver, Geschrei, herausgeputzte Chicas vom Lande in hautengen Kunstfaserkleidchen tippeln auf Stöckelschuhen vor mir her, dickbäuchige Männer, Südamerikanische und asiatische Familien mit Kleinkindern auf dem Arm und im Buggy. Überall hält man Handys in die Höhe, bleiben ganze Gruppen abrupt stehen für ein Erinnerungsfoto. Der Lärm erschlägt uns fast. Popmusik aus Lautsprechern kollidiert mit Latino-Rhythmen aus dem Restaurant nebenan, alles wird übertönt vom Trommelgedröhne selbsternannter Straßen“musiker“. Der Boden schwankt.

Zum Glück ist es nicht zu heiß, es fühlt sich eher an wie ein schöner norddeutscher Sommerabend. Gegenüber ist das wunderschöne Hotel „Bellagio“.

Da wollen wir hin, denn auf dem künstlich angelegten See davor gibt es alle halbe Stunde Wasserspiele zu sehen. Wir warten geduldig, und - oh Wunder – als die ersten Takte von „Time to say Goodbye“ erklingen, wird es ganz still, und zum Klang der Geigen erheben sich die ersten Wasserbögen. Für die nächsten paar Minuten schafft dieser verquere Ort es, einfach nur still und schön zu sein, bevor es wieder los geht.

 

 

Am nächsten Morgen gehen wir früh los, um der Mittagshitze auszuweichen. Werner möchte sich die Lobbys der Hotels ansehen. Mir ist das recht: Es gibt viel zu sehen, und drinnen ist es angenehm kühl. Impressionen von unserem Spaziergang:

 

Im „Venetian“ fahren Gondoliere durch Kanäle im Innenhof des Hotels, der Himmel ist - na was wohl? - künstlich.

Und abends erscheint am Himmel vor unserem Fenster der Mond. Falls nicht jemand heimlich einen künstlichen da hingehängt hat ;-)...

       

 

Ein Fazit:
Las Vegas ist verrückt. Eine große Fassade. Irgendwie überflüssig und doch unglaublich faszinierend: Dass es so etwas gibt! Las Vegas – das ist ein riesiger Spielplatz im Sandkasten, mitten in der Wüste, mit irrem Strom- und Wasserverbrauch.

Und man sieht deutlich die Kehrseite dieser erbarmungslosen Geldmaschinerie: Zerlumpte Gestalten, die laut palavernd und wild gestikulierend herumlaufen, in Mülltonnen wühlen oder einfach da sitzen und mit zum Teil seltsamen Ideen um Geld betteln. „Bitte um Geld für eine Samenspende für ein lesbisches Paar“ ist da auf einer Pappe zu lesen. „Ich trinke nicht“, liest man auf einer anderen. Ein älterer Mann wiederum bekennt: „Warum lügen – brauche Bier“.

Ich weiß, das alles gibt es bei uns auch. Nur ist hier, in dieser Glitzer-Kulisse, der Unterschied zwischen Glanz und Elend so augenfällig.


„Nirgendwo geht es bunter zu als auf der Welt“, sagte schon meine Oma. Dazu gehören alle Farben. Auch die schrillsten.

In diesem Sinne "Viva Las Vegas" und Euch ein farbenfrohes Wochenende

Eure

Werner und Helga


P. S. In Kürze folgt ein weiterer Eintrag, der vermutlich wieder nicht per Mail angekündigt wird.