Südstaaten-Feeling

Freitag, 04.12.2015

Hallo nach Norden, Süden, Westen, Osten!

Bevor es weiter geht in Richtung New Orleans, hier noch ein paar Fotos von San Antonio (Auf's Foto klicken vergrößert - wie immer)

                          

      

 

Mosaike und Wandbilder im Hotel. In den Fluren hängen historische Bilder:

Hinter San Antonio wird die Landschaft endlich, endlich wieder grüner. Flüsse, saftige Wiesen. Das Grün der Bäume und Sträucher am Wegesrand ist Labsal für die Augen. Ein Werner ist natürlich wieder dabei, und auch die LKW-Huckepack-Zugmaschinen begegneten uns schon öfter auf unserer Reise.

Wir kommen an den Orten Schulenburg und Weimar vorbei. Bei Houston, Texas, geht es rechts ab gen Süden nach Galveston – wer kennt ihn nicht, den schmachtenden Country-Song „Galveston“ von Glen Campbell.

Aber Nein! Wir wollen ja gar nicht nach Galveston, wir fahren immer schön geradeaus durch das Autobahngewirr von Houston.

                        

Hinter Houston spürt man zum ersten Mal die Nähe des Golfs von Mexiko. Üppiges Grün, ringsum Wasser, Flussläufe, und gleich neben der Interstate beginnen die ausgedehnten Swamps (Sümpfe) mit ihrer unberührten Natur. Man sieht wieder Adler am Himmel über den hohen Kiefernwäldern, die uns bis weit hinein nach Florida begleiten werden. Am Straßenrand stehen die ersten „Gator“-Schilder. Alligator-Land beginnt :D.

    

Als wir an einem Rastplatz aus dem wohltemperierten Wagen steigen und die Umgebung „erschnuppern“, fühlt es sich ein bisschen so an, als wären wir erst jetzt, nach 6600 Flug- und gut 9000 Fahrkilometern, so richtig „angekommen“. Schwül-warme Luft, Stille, Langsamkeit, Schlichtheit und üppige Fülle zugleich – das aus der Zeit gefallene, träge Südstaaten-Feeling umfängt uns und zaubert ein Lächeln auf unsere Gesichter. „Wider than a smile.“ Schwer zu beschreiben :D
Doch irdische Bedürfnisse machen nicht vor euphorischen Gefühlen halt. Wir müssen mal. Der Ladies Restroom ist passend zur Stimmung so schön, dass ich ihn sogar fotografiere:    

 

Vor Sonnenuntergang wechseln wir vom Bundesstaat Texas nach Louisiana.

Louisiana hat zwei Beinamen: „Pelican State“ wegen des Wappenvogels und „Bayou State“ – was soviel wie „sumpfiges Gebiet“ bedeutet. Im Autoradio hören wir, wie passend, Creedence Clearwater Revival mit „Born on the Bayou"

Und da wir gerade dabei sind: Wer denkt bei „Louisiana“ nicht an die berühmten „Cotton Fields“?

Der Tag neigt sich dem Ende zu, und nach einem leckeren Essen mit passender Zydeco/Cajun-Musik-Untermalung in diesem Lokal 

übernachten wir in Breaux Bridge in der Nähe von Lafayette. Das Zimmer hat einen Fenstersitz, sowas hätte ich auch gern. Aber unsere deutschen Norm-Fenster sind dafür nicht gemacht.

Am nächsten Morgen bin ich schon um 6 Uhr wach. Das Hotel heißt „microtel“, und das Bett macht dem Namen Ehre, es ist etwas eng. Ich sitze am Fenster und gucke durch dicken Nebel auf den Hotelparkplatz. Den Pfützen nach zu urteilen muss es in der Nacht geregnet haben. Ein Ambulanzfahrzeug kommt. Nachdem ich geduscht habe, ist es wieder weg. Stattdessen stehen nun einige Arbeiter schweigend und fast reglos mit gesenkten Köpfen um ihren Pickup herum. Einer von ihnen guckt gelegentlich auf sein Handy. Nach einer langen Weile lösen sie sich von dem Wagen und gehen wieder an die Arbeit. Der Nebel lichtet sich nur langsam. Stoff für Geschichten.

Es ist nicht weit nach New Orleans. Wir sind im Gebiet des Mississippi Delta. Das Leben in Louisiana ist von zahlreichen Kulturen, Sitten und Gebräuchen geprägt, beispielsweise auch vom Voodookult. Noch heute ist der französische Einfluss spürbar, der sich u.a. in Ortsnamen und manchen französischen Wörtern bemerkbar macht. Aber auch zahlreiche indianische Namen lesen wir, zum Beispiel so wohlklingende wie Tanjipahoa oder Alatchafalaya.
Die Interstate führt teilweise wieder auf Stelzen über die Sümpfe. Im Wasser stehen Mangrovenbäume, die einzigen Bäume, die Salzwasser vertragen.

Beim Passieren von Baton Rouge denke ich an die Anfangszeile von Kris Kristoffersons / Janis Joplins „Me and Bobby McGee“, in der es heisst „Busted flat in Baton Rouge“. Ich dachte immer, da sei von einer Wohnung (flat) in Baton Rouge die Rede, aber nun, wo ich hier bin, gucke ich nach – und die Online-Übersetzung lehrt mich, dass es soviel bedeutet wie „Abgebrannt in Baton Rouge“.
Wir haben zum Glück noch Benzingeld und gestatten uns einen kleinen Umweg. Werner, der - wie immer - perfekt auf die Reiseroute vorbereitet ist, möchte über die „zweitlängste Brücke der Welt über Wasser“ fahren (die längste befindet sich in China). Sie führt über einen See, den Lake Pontchartrain, ist über 38 Kilometer lang und führt in Nord-Süd-Richtung direkt auf New Orleans zu.
Sie ist wirklich eindrucksvoll. Es ist, als führe man auf einer Straße über's Meer. Nachts, so denken wir uns, muss es noch viel schöner sein.

Am Ende der Brücke sieht man schon die Ausläufer von New Orleans.

Eigentlich ist New Orleans eine ganz durchschnittliche amerikanische Großstadt, aber natürlich zieht es jeden Besucher ins French Quarter. So stellt man es sich vor: The Big Easy! Leichtigkeit, Lebensfreude, Jazz, Kreolische Küche, alles mischt sich, amerikanischer, französischer und spanischer Kolonial-Baustil...
Wir fahren hinein und werden nicht enttäuscht. Es wird zwar viel gebaut, manches ist dem Zerfall nahe, aber die Schönheit überwiegt. Es gibt Verzierungen an den Häusern und Balkons in Hülle und Fülle, alte Bäume spenden Schatten, die Leute sind mit dem Rad unterwegs, ich sehe im Vorbeifahren Hängematten und Verandaschaukeln. Wir durchfahren ein kleines Wohngebiet, dass sich für Hamburger vielleicht am ehesten als lauschigstes Klein-Eppendorf mit französischer Anmutung beschreiben lässt.

             

Wir finden einen Parkplatz – 10 Stunden für 10 Dollar, da kann man nicht meckern. Und ab geht es durch die hübschen kleinen Gassen, die vielfach französische Namen tragen, stracks hinunter zum Mississippi, um an der Promenade entlang zu bummeln und ein wenig Hafenatmosphäre zu schnuppern. Schön ist er hier, der Ol' Man River.

          

Eine Fahrt mit dem Raddampfer machen wir nicht, auch wenn die Person ganz oben an Deck noch so schön in die Tasten haut und eine herrlich altmodische Melodie auf der Dampforgel produziert. Die Pfeifen solcher Orgeln werden nicht mit Luft, sondern mit Wasserdampf betrieben, und entsprechend sieht man, solange gespielt wird, ordentlich Dampf aus den Röhren aufsteigen.

    

Statt dessen gehen wir in ein Lokal, das Cajun-/Kreolische Küche auf der Speisekarte stehen hat. Werner bestellt Fisch, und ich, die ich sonst nicht besonders mutig bin, was das Ausprobieren von neuen Gerichten in Restaurants angeht, bestelle auf gut Glück ein 3-Sorten-Jambalaya. Zwar habe ich schon von den gut gewürzten Speisen gehört, weiß aber nicht, was genau mich erwartet. Allein der wohlklingende Name: Jambalaya! Das kann ja nur gut schmecken!
Ähem...ich kann ja nix dafür, dass schon wieder Creedence Clearwater Revival herhalten müssen, aber die haben nun mal den passenden fröhlichen Song – wer kennt ihn nicht?- mit dem Titel „Jambalaya“ im Repertoire ...

Das Lokal ist recht urig und gut besucht. Draußen wird ganz nach französischer Manier geparkt – Stoßstange an Stoßstange :D

                

Das Essen kommt, und es schmeckt gut. Man kann sich vorstellen, dass dies eine Art kreolische Hausmannskost ist. Die Grundlage ist jeweils Reis, auf meinem Teller einmal mit Fisch, einmal mit einer Art Fleischsud/leichtem Erbsensuppengeschmack, eins mit Pilzen und Hühnchenfleisch. Alles ein wenig schärfer gewürzt, als wir es so kennen. HIER steht, was Tante Wiki dazu sagt. Und so sieht es aus:

Dann geht es wieder raus in die Gassen des French Quarter. Die Luft steht, es ist sehr schwül und über 30 Grad heiß. Ein Geschäft verkauft Kostüme für den „Mardi Gras“, den hiesigen Fasching, der jedes Jahr mit Paraden, Musik und schrägen Kostümen gefeiert wird.Was Passendes für den nächsten Chorauftritt ist auch dabei:

In den Straßen spielen Bands auf Akkordeon, Kontrabass, Waschbrett und Gitarre.Ein Pärchen tanzt spontan dazu.

     

Man spielt Zydeco, einen Musikstil, der hier in Louisiana entstanden ist. Klickt mal HIER, dann hört ihr - so die Gema es will - ein Lied, das ihr garantiert kennt, sofern ihr alt genug seid, um euch an die 1980er Jahre zu erinnern ;-), es geht direkt in die Beine.

Apropos Beine: Wir bummeln in der Hitze durch die Gassen des Viertels. Bilder sagen mehr als Worte:

                       

Eigentlich wollten wir bis abends bleiben und noch einen Kneipenbummel dranhängen, aber wir sind völlig erschlagen von der Hitze und dem vielen Herumlaufen. Von der berühmten „Bourbon Street“ sind wir nicht besonders angetan. Ich finde ausgerechnet sie, verglichen mit all den Straßen ringsum, ziemlich unscheinbar und schäbig.

Mag sein, dass es anders ist, wenn die Lichter leuchten und aus jeder zweiten Kneipe Musik dringt. Aber es dauert noch Stunden, bis es dunkel wird, und mein Kreislauf macht mir zu schaffen. Es ist heiß und stickig. Wir traben erschöpft zum Auto, drehen die Klimaanlage hoch und fahren los.

Dieses ulkige Gebäude ist „Kermit's Schwiegermutter-Lounge“, eine Kneipe, deren jetziger Betreiber tatsächlich Kermit mit Vornamen heißt.

Bald hinter New Orleans beginnt der US-Bundesstaat Mississippi. Wir nehmen das erstbeste Motel in Gulfport, Mississippi. Kaum sind wir drin, braust ein Flugzeug direkt über uns hinweg. Ohrenbetäubend laut, ganz niedrig. Wir stellen fest, dass wir uns direkt in der Einflugschneise vom Biloxi/Gulfport-Flughafen befinden. Holla die Waldfee! Man kann quasi sehen, wie gut sich der Pilot unterm Kinn rasiert hat. Hoffen wir, dass hier nachts nicht geflogen wird. Und wenn, dann bitte nur ganz leise und mit ordentlich Zielwasser... ;-)

(Wie sich später herausstellt, beginnt die Landebahn keine zwei Kilometer vom Hotel entfernt).

Zu guter Letzt noch ein Song – das wunderbare „Love and Emotion“ von dem leider früh verstorbenen Willie DeVille, der die berühmten Worte sprach: „Du kannst nicht besser als echt sein“, und, fast noch schöner: "Ich lebe ja immer nur jetzt."

Morgen geht es weiter, die „vergessene Küste“ entlang nach Florida.

Euch ein Happy Weekend
(Hier regnet es seit 24 Stunden)

Eure
Werner und Helga