Von Chicago nach L.A.

Dienstag, 03.11.2015

Moin Ihr Lieben!

Heute ist der letzte Tag unserer Tour quer durch Amerika auf der Route 66. Der Weg führt quer durch Los Angeles hindurch, und dort ist ungeheuer viel los, deshalb fahren wir nicht auf der Route 66, sondern durchqueren Los Angeles, die „Stadt der Engel“, auf der Interstate.

Fast 4 Millionen Menschen leben in L.A., dazu 13 Millionen in der Region ringsum und noch einmal 18 Millionen in der Metropolregion. Da fehlte uns die Lust, uns durch endlose Vorstädte und dann quer durch die Stadt zu quälen, von Ampel zu Ampel - „Wie ein nicht enden wollender Heidenkampsweg“, scherzt Werner. Unser Reiseführer-Autor schreibt, er hat für gut 100 km über fünf Stunden gebraucht. Also brausen wir zunächst durch San Bernadino. Wer kennt ihn nicht, den guten alten Gassenhauer von Christie „Ooooh, I'm longing foooor San Bernadino“

Südlich geht es vorbei an Pasadena – wem fällt da nicht das Pasadena Roof Orchestra mit „Putting on the Ritz“ ein? ;-)

Es wird immer städtischer, die Autobahn hat mittlerweile sechs Spuren plus Standspur – in jede Richtung!

Vor uns fährt ein „All American Handyman“. Der ist nicht etwa Mobil-Telefon-Verkäufer, sondern eine Art „Allroundhandwerker“. Im englischsprachigen Raum sagt man zu Mobiltelefonen „cell phone“, „Handy“ ist eine rein deutsche Erfindung. "Handy" bedeutet im Amerikanischen so viel wie geschickt, praktisch, nützlich. Die Waschmaschine benötigt einen neuen Wasserschlauch, der Wasserhahn im Garten tropft, die Schranktür schliesst nicht richtig – dann kommt der Handyman vorbei und richtet es. Manchmal stehen auch Leute an der Straße, die eine Pappe mit der Aufschrift „Handyman“ tragen und nach einer kleinen Gelegenheitsarbeit suchen. Dieser hier ist da schon sehr gut ausgestattet. Falls Ihr einen braucht: Telefonnummer steht hinten drauf.

Wir kommen gut durch, und gegen Mittag heißt es ein letztes Mal „Get your kicks on Route sixty-six.“ Vor Santa Monica biegen wir von der Interstate 10 auf die Route 66 ab, um die letzten Meilen standesgemäß zu beenden. So haben wir es öfter auf der Route gemacht: Wenn die Route 66 für uns nichts Interessantes zu bieten hatte und/oder direkt neben der Interstate verlief, haben wir den schnelleren Weg gewählt. Dort, wo schöne Orte, Landschaften, Gebäude zu erwarten waren, sind wir die Route gefahren.
Und dann sind wir da. In Santa Monica endet die Route 66. Vor uns liegt der Pazifik. Hinter uns liegen knapp drei Wochen, in denen wir viel ursprüngliches Amerika kennengelernt haben. Viele Kleinstädte, viele Menschen, die ihre Stadt, ihr „Dorf“ nie verlassen haben. Viele offene Blicke, öfter mal ein Lächeln. Durchweg haben wir eine freundliche, positive Grundstimmung, eine Art Haltung von „Leben und leben lassen“ angetroffen. Beeindruckt hat – wieder einmal - die unfassbare Weite des Landes, die den Menschen und der Natur viel Raum lässt (Wenn ich nur an die Weideflächen denke, die Rinder hier zur Verfügung haben – das müssen glückliche Viecher sein!). Die Häuser sind großzügiger gebaut, dafür weniger aufwändig als bei uns zuhause. Wir sahen auch viel Ärmliches, viel Zeugs, wir würden sagen Sperrmüll, in dem die Leute wohnen: Vollgestellte Terrassen vor kleinen Häusern, viele Menschen, die in mobilen Häusern leben, die man in der Mitte durchgeteilt auf zwei LKWs verladen und an anderer Stelle wieder aufstellen kann. Wenn ein Haus, ein Gewerbebetrieb nicht mehr benutzt wird, verlässt man ihn. Das Gebäude bleibt stehen und zerfällt, und niemand kümmert sich. Andererseits: Wenn hier etwas funktioniert, dann erfindet man nicht alle Jahre eine Neuerung, die man dann unbedingt erwerben muss. Oft gilt das Motto: "Funktioniert doch - warum dann erneuern?" oder auch "Never chance a running system" - Ändere nie etwas, das gut läuft.

Das Land ist groß, das Land ist weit. Platz für alles, Platz für jeden. Verzauberte Landschaften, karge „Geröllhalden“ (Werner zu den Bergen in der Wüste), Cowboy- und Indianerland, spanische Einflüsse in Architektur, Essen und Sprache, Holzhäuser im Ranch-Style, viktorianische Bauten, immer wieder Holz und – seltener – Backstein. In New Mexico Adobe-Stil, Häuser aus luftgetrockneten Lehmziegeln. Stille, sobald man am Wegesrand anhält. Richtige Stille ohne jedes Hintergrundrauschen von Autos, Zügen oder so. Man kann sich fast vorstellen, dass die Indianer,wenn sie auf leisen Sohlen unterwegs waren, das Geräusch jedes noch so kleinen Lebewesens wahrnehmen konnten. Schwarzes Lavagestein, das bis zum Straßenrand geht. Goldgräberland. Minen. Höhlen. Und immer wieder: Endlose Weite. Gespräche im Auto: „Siehst du den Berg dahinten? Da wollen wir hin!“ Es dauert manchmal Stunden, bis wir da sind (Werner: „Man kann quasi von Hamburg bis nach Cuxhaven gucken.“).
Und dann sind wir nach rund 4000 Kilometern in Santa Monica auf der Ocean Avenue am Ziel, an dem Punkt, an dem die historische Route 66 endet.
Ich steige aus dem Auto, und das erste, was ich wahrnehme, ist überraschenderweise der Geruch des Ozeans. Die ganze Zeit habe ich es nicht bemerkt, aber jetzt, wo ich nach so viel Trockenheit, Wüste und Prärie die überraschend feuchte, leicht salzige Luft einatme, merke ich, wie sehr ich das vermisst habe, wie gut das riecht, wie schön das ist. Das Meer ist wie ein Stück Zuhause, wie ein bisschen Heimat.

                  

Von Küste zu Küste, die Route von Chicago nach L.A. - Chicago, St. Louis, Joplin, Oklahoma City, Amarillo, Gallup, Flagstaff. Kingman, Barstow, San Bernadino. Wir waren überall, und vor allem in den vielen kleinen Orten dazwischen. Es war schön, manchmal auch anstrengend. Immer wieder neu, immer wieder anders. Aufschlussreich und interessant. So viel gesehen! So viel erlebt. Es hat sich gelohnt. Davon werden wir lange zehren.

Wir sind am Ziel. Wir haben es gemacht: Wir hatten unsere Kicks auf der Route 66.

 

 

Manhattan Transfer – (Get your Kicks) On Route 66

 If you ever plan to motor west,
Travel my way, take the highway that is best.
Get your kicks on Route sixty-six.

It winds from Chicago to LA,
More than two thousand miles all the way.
Get your kicks on Route sixty-six.

Now you go through Saint Louie
Joplin, Missouri,
And Oklahoma City is mighty pretty.
You'll see Amarillo,
Gallup, New Mexico,
Flagstaff, Arizona.
Don't forget Winona,
Kingman, Barstow, San Bernadino.

Won't you get hip to this timely tip:
When you make that California trip
Get your kicks on Route sixty-six.


Wir sind am Ziel der Route, aber es ist noch viel Urlaub übrig. Deshalb berichten wir hier im Blog in lockerer Folge davon, wo und wie es weitergeht. Also, bleibt uns gewogen!

Sonnige Grüße nach Hause und in alle Welt!

Love & Peace & Irish Fries


Werner und Helga